Erlebnisbericht eines
Volkssturmmannes aus Königsberg in Ostpreußen
Quelle: "Dokumentation der Vertreibung, Band 1
Der Verfasser berichtet eingangs über seine Einziehung zum Volkssturm und
den Einsatz zur Rückeroberung Nemmersdorfs.

"... Unter den Toten befanden sich auch
Kinder im Windelalter denen mit einem harten Gegenstand der Schädel
eingeschlagen war..."
" Meine Volkssturmkompanie erhielt dann den Befehl, in Nemmersdorf
aufzuräumen.
Schon kurz vor Nemmersdorf (Richtung Sodehnen-Nemmersdorf) fanden wir
schon zerstörtes Flüchtlings-Gepäck und umgeworfene Wagen.
In Nemmersdorf selbst fanden wir den geschlossenen Flüchtlingstreck.
Alle Wagen waren durch die Panzer vollständig
zerstört und lagen am Straßenrand oder im Graben.
Das Gepäck war geplündert, zerschlagen oder zerrissen, also vollständig
vernichtet.
Dieser Flüchtlingstreck war aus der Gegend Ebenrode und Gumbinnen. Ich
stellte dieses beim Aufräumen fest.
Im Straßengraben fand ich ein Männer-Jackett. Aus der Brusttasche ragte
ein Stück weißes Papier heraus.
Nicht Neugierde, sondern tiefstes Mitleid mit diesen armen Menschen gab
mir keine Ruhe, nachzusehen, was es war.
Es ist gut, dass ich es getan habe.
Es war ein Briefumschlag mit der Aufschrift: Schmiedemeister Grohnwald,
Gumbinnen. In dem Umschlag steckten 5 Zwanzigmarkscheine.
Diese steckte ich in den Umschlag zurück in der Hoffnung, daß der Besitzer
doch noch einmal zurückkommt.
Das ganze Flüchtlings-Gut wurde gesammelt und in die Dorfkirche getragen.
Von der Zivilbevölkerung haben wir nichts
gefunden.
Am Dorfrand in Richtung Sodehnen-Nemmersdorf steht auf der linken
Straßenseite ein großes Gasthaus
"Weißer Krug", rechts davon geht eine Straße ab, die zu den umliegenden
Gehöften führt.
An dem ersten Gehöft, links von dieser Straße, stand ein Leiterwagen.
An diesem waren 4 nackte
Frauen in gekreuzigter Stellung durch die Hände genagelt.

weitere Nemmersdorfer Opfer ...
Hinter dem "Weißen Krug" in Richtung Gumbinnen ist ein freier Platz mit
dem Denkmal des Unbekannten Soldaten.
Hinter diesem freien Platz steht wiederum ein großes Gasthaus "Roter
Krug". An diesem Gasthaus stand längs der Straße eine Scheune.
An den beiden Scheunen-Türen waren je eine
Frau, nackt in gekreuzigter Stellung, durch die Hände angenagelt.
Weiter fanden wir dann in den Wohnungen insgesamt
72 Frauen einschließlich Kinder und einen
alten Mann von 74 Jahren,
die sämtlich tot waren, fast ausschließlich
bestialisch ermordet bis auf nur
wenige, die Genickschüsse
aufwiesen.
Unter den Toten befanden sich auch Kinder
im Windelalter, denen mit einem
harten Gegenstand der Schädel eingeschlagen war.
In einer Stube fanden wir auf einem Sofa in sitzender Stellung eine alte
Frau
von 84 Jahren vor, die vollkommen erblindet [gewesen] und bereits tot war.
Dieser Toten fehlte der halbe Kopf, der
anscheinend mit einer Axt
oder Spaten von oben nach dem Halse weggespalten war.
Diese Leichen mussten wir auf den Dorf-Friedhof tragen, wo sie dann liegen
blieben, weil eine ausländische
Ärzte-Kommission
sich zur Besichtigung der Leichen angemeldet hatte. So lagen diese
Leichen dann 3 Tage, ohne dass
diese Kommission erschien.
Inzwischen kam eine Krankenschwester aus Insterburg, die in Nemmersdorf
beheimatet war und hier ihre Eltern suchte.
Unter den Ermordeten fand sie ihre Mutter von 72 Jahren und auch ihren
alten schwachen Vater von 74 Jahren, der als
einziger Mann zu diesen Toten gehörte. Diese Schwester stellte dann fest,
daß alle Toten Nemmersdorfer waren.
Am 4. Tage wurden dann die Leichen in zwei
Gräber beigesetzt.
Erst am nächsten Tage erschien die
Ärzte-Kommission, und die Gräber mussten noch einmal geöffnet werden.
Es wurden Scheunentore und Böcke herbeigeschafft, um die Leichen
aufzubahren, damit die Kommission sie untersuchen konnte.
Einstimmig wurde dann festgestellt, dass
sämtliche Frauen wie Mädchen
von 8-12 Jahren vergewaltigt waren, auch die alte blinde Frau von 84
Jahren.
Nach der Besichtigung durch die Kommission wurden die Leichen endgültig
beigesetzt."
---
Anmerkung: Dieser Bericht wurde als
Mini-Ausschnitt heute in der BILD
Zeitung (Serie: Flucht und Vertreibung)
veröffentlicht.
Am 25. November 2001 streute Guido Knopp im ZDF die Vermutung,
„dass die NS-Propaganda die Verbrechen
nicht nur
instrumentalisiert, sondern zum Teil auch inszeniert hat“
Auf ZDF.de steht zu Nemmerdorf (Knopps sogenannte "Wahrheit"
26 Tote, alles Zivilisten.
Grausame Rache
sowjetischer Soldaten
für mehr als drei Jahre deutscher Gewaltherrschaft? Was geschah wirklich
in Nemmersdorf? Aussagen von Zeitzeugen
lassen vermuten, dass die NS-Propaganda die Verbrechen nicht nur
instrumentalisiert, sondern zum Teil auch inszeniert hat.
Welche Quelle könnte da Knopp unter
anderem wohl bemüht haben?
So behauptete Radio Moskau in seiner
deutschsprachigen Abendsendung am 10. und nochmals am 12. März 2000,
in russische Uniformen geschlüpfte „SS-Truppen“ hätten deutsche Zivilisten
erschossen und traktiert, um Goebbels
den Vorwand für eine noch intensivere Durchhalte-Propaganda zu liefern.
Wenn (selbst!) BILD ausschnittsweise jenen Text bemüht, der
73 Opfer im Volltext erwähnt und
Knopp
sich trotzdem auf "nur" 26
festlegt, bleibt wohl die entscheidende Frage offen, wer hier
offensichtlich lügt?
Vielleicht hat Knopp das Ganze aber auch nur nicht oder nicht richtig
recherchieren WOLLEN ?
"Am 27. Oktober [= 1944] traf eine
internationale Ärztekommission in Nemmersdorf ein.
Ihre Untersuchungsergebnisse wurden am 31. Oktober in der Berliner Charité
vorgestellt."
Von dieser Kommission ist aber nichts
zu lesen bei Knopp!
Siehe hier =>
ZDF.de Knopps: Die "Wahrheit"
über Nemmersdorf
Zitat:
AWC-Nemmersdorf Ost-Preussen-Massaker
der Roten Armee
1944
* Klick *
- YouTube-Video, Laufzeit: ca. 7 Minuten.
Das
Massaker in Rössel/Ostpreußen
Dr. med. Arnold Niedenzu, Facharzt für Chirurgie, aus Rössel:
„Während des Russeneinfalls in Ostpreußen war ich als leitender Arzt des
St. Josefskrankenhauses in Rössel dort geblieben.
Erst nach Ablösung durch einen polnischen Arzt
habe ich am 12.12.1945 Ostpreußen verlassen.
Rössel und Umgebung war infolge völligen Versagens der zuständigen
deutschen Stellen nicht evakuiert worden. Nur wenige Einwohner haben sich
noch rechtzeitig vor den Russen in Sicherheit bringen können. Die Stadt
wurde nach ganz unbedeutender Gegenwehr am 28.1.1945 nachmittags besetzt.
Sofort kam es zu
ausgedehnten Plünderungen, Brandstiftungen, Gewalttätigkeiten und
Vergewaltigungen, Mord und Totschlag. Schon in den ersten Tagen sind in
Rössel
60 Personen erschlagen oder erschossen
worden.
das heutige Rössel liegt in
der polnischen Zone Ostpreußens
Es handelte sich um Frauen, die sich nicht vergewaltigen lassen wollten,
Männer, die sich schützend vor ihre Frauen und Kinder stellten, Leute, die
nicht rasch genug mit ihren Uhren oder Schnapsflaschen herausrückten. In
vielen Fällen war überhaupt ein Motiv nicht ersichtlich.
So wurden im Katholischen
Hospital drei Männer und fünf Frauen erschossen, in der Stadt eine
Lehrerwitwe mit vier Kindern. Diese ersten Opfer konnten erst nach einer
Woche in einem Massengrab beigesetzt werden.
In der Umgebung wurden
vorwiegend größere Bauern und Gutsbesitzer erschossen. In einem der
benachbarten Dörfer, Plössen, ist die Hälfte der Einwohner umgebracht
worden, in dem Dorf Trautenau (Kreis Heilsberg) mehr als die Hälfte.
Auffallend hoch ist auch die Zahl der erschossenen Geistlichen: Pfarrer
Lindenblatt/Rastenburg, Zagermann/Glockstein (von zwei Russen durch
Kopfschuß tödlich versetzt), Ludwig/Santoppen, erschossen von demselben
russischen Offizier, den er noch abends zuvor bewirtet hatte. Marquwardt/Plausen
zwischen zwei Schwestern erschossen; die Schwestern fielen ohnmächtig um
und entgingen wohl nur so dem gleichen Schicksal.
Schon nach den ersten Tagen wurde zu uns ins Krankenhaus eine Wöchnerin
mit sehr schwerem Lungenschuß eingeliefert. Als ein Russe sie
vergewaltigen wollte, machte sie ihm klar, daß sie dicht vor der
Niederkunft stünde. Daraufhin
trat ihr der Russe auf den Bauch und schoß auf sie; das Kind wurde
vorzeitig geboren, die Mutter kam in fast hoffnungslosem Zustand ins
Krankenhaus, ist aber nach Monaten geheilt.
Die Vergewaltigungen nahmen ein unvorstellbares Ausmaß an. Nach meinen
Erfahrungen darf ich behaupten, daß von den Frauen und Mädchen zwischen 50
und 15 Jahren nur 10% verschont geblieben sind. Der Russe machte vor
nichts halt: Greisinnen
(bis 80 Jahre), Kinder (bis 10 Jahre abwärts), Hochschwangere und
Wöchnerinnen. Die Vergewaltigungen gingen unter den
widerlichsten Umständen
vor sich. Die Russen überfielen häufig schon tags die Frauen, vorwiegend
aber nachts drangen sie durch die zerbrochenen Fenster oder durch die
eingeschlagenen Türen, ja durch das abgedeckte Dach in die Häuser und
stürzten sich auf die unglücklichen Frauen und Mädchen. Meist mit
vorgehaltener Waffe. Häufig hielten sie die
Pistolenmündung direkt in den Mund des unglücklichen Opfers. Häufig
war es so (man sträubt sich, es zu schreiben),
daß das weibliche Wesen von
mehreren festgehalten wurde, während sich die Wüstlinge nacheinander bei
der Vergewaltigung ablösten. So manche Frau ist anschließend
erschossen worden (z.B.
eine mir sehr gut bekannte Frau K.), eine andere (Frau D.) ist
anschließend erschossen und
dann noch mit dem Auto überfahren worden. Häufig wurden die Frauen
bei der Vergewaltigung noch in übelster Weise
geschlagen, gestochen oder
sonst mißhandelt.
Ich glaube auch, daß nur ganz
wenige Russen diese furchtbaren Verbrechen nicht mitgemacht haben.
Es bestand da kaum ein Unterschied zwischen Offizier und gewöhnlichem
Soldaten. Als ein
10jähriges Kind mit schweren Zerreißungen nach Vergewaltigung ins
Krankenhaus gebracht wurde, wandte ich mich an den polnischen Dolmetscher
bei der GPU, ob es denn gar keine Möglichkeit gäbe, diesem entsetzlichen
Treiben Einhalt zu gebieten. Daraufhin sagte er mir:
„Anfangs war es erlaubt, da
ist es natürlich schwer, es jetzt zu verbieten."
Nur in ganz seltenen Fällen gelang es, die Missetäter der Kommandantur zu
übergeben. Sie wurden dann
auf ein paar Stunden eingesperrt, womit der Fall für die russische
Kommandantur erledigt war. Davon, daß einmal auch ein Mörder zur
Verantwortung gezogen worden ist, weiß ich nichts. Die Verheerungen auf
körperlichem und sittlichem Gebiet waren furchtbar.
Geschlechtskrankheiten, häufig schon bei Minderjährigen, waren
außerordentlich verbreitet. Mittel zu
ihrer Bekämpfung standen unzureichend zur Verfügung.
Die Rösseler Apotheke war durch die Russen
vollkommen ausgeräumt worden, im Krankenhaus waren nur geringe
Vorräte. Im Krankenhaus Bischofstein waren die meisten Medikamente, wie
auch Instrumente geraubt worden. Häufig wurde der Tripper zu Hause von der
ahnungslosen Mutter auf die kleinen Kinder übertragen. Im Krankenhaus
wurden täglich 25 und mehr Behandlungen und Untersuchungen auf
Geschlechtskrankheiten durchgeführt.
Schlimmer noch war die sittliche Verwilderung. Während anfangs Frauen und
Mädchen bei der Eröffnung, sie wären geschlechtskrank, fassungslos
weinten, nahmen später selbst Vierzehnjährige
es gleichmütig, abgestumpft hin. Ein Hauptgesprächsthema wurde
bald, daß man in letzter Nacht vom Russen
"belästigt" worden sei,
selbst unter Halbwüchsigen. Weiterhin gingen später manche Frauen und
Mädchen lieber mit einem Russen ein Verhältnis ein, um gegen Überfälle
durch andere gesichert zu sein, später auch, weil sie der Hunger dazu
trieb. Dazu kam noch das
schlechte Beispiel von solchen, die sich den Russen an den Hals warfen und
noch damit prahlten.
Überlebenskampf: mitten im
harten Winter die Flucht vor den mörderischen Russen

Hiergegen treten alle anderen Greuel doch mehr zurück:
Am 10.2. wurde, ohne ersichtlichen Grund, die
Bevölkerung aus der Stadt ausgewiesen. Fuhrwerke, Autos oder
Fahrräder durften nicht mitgenommen werden. So konnte jeder mehr oder
weniger nur das mitnehmen, was er mit seinen Händen tragen konnte. Nur das
Krankenhaus durfte bleiben und seinen Betrieb weiterfahren. Meine Bitte,
man solle wenigstens die alten Schwestern im Kloster bleiben lassen, blieb
unberücksichtigt.
Die Rösseler mußten Zuflucht suchen in den umliegenden Dörfern, die durch
die Flüchtlinge aus den Grenzkreisen überfüllt waren.
So lagen häufig 80 und mehr Personen auf einem
Bauernhof. Häufig mußten 20 bis 30 Menschen in einem Zimmer schlafen.
Inzwischen wurden die
Wohnungen von der Kommandantur systematisch ausgeräumt, ebenso die
Geschäfte, Speicher. Was nicht fortgebracht wurde nach Rußland,
wurde zerschlagen und vernichtet. Die
Häuser waren bald in einem unbeschreiblichen Zustand, die Straßen in
schlimmster Weise verdreckt. Später wurden deutsche Frauen und Mädchen von
der Kommandantur zur
Straßenreinigung eingesetzt, wobei sie den Schmutz von der Straße in die
Häuser werfen mußten. Brandstellen waren etwa 40 in der Stadt, die
Häuser, in denen die Russen nicht wohnten, bis zur Unbewohnbarkeit
demoliert.
Deutsche aus Ostpreußen am 30.Januar 1945
auf der Flucht mit dem Handwagen...
Sehr bald setzten auch die Ausplünderungen der Bauernhöfe und Güter ein.
Die Pferde wurden in Trecks fortgetrieben, die Kühe zu Hunderten auf
größeren Besitzungen zusammengetrieben bzw. Kühe und Schweine wahllos
abgeschlachtet, den Deutschen ihre Vorräte geraubt, so daß sie seit Ostern
meistens nur noch Kartoffeln und Roggen als Nahrung hatten. Den Roggen
mußten sie aus den noch von der letzten Ernte stehengebliebenen Schobern
holen, er wurde zu Hause mit Hölzchen ausgedroschen und zweimal durch die
Kaffeemühle gemahlen. Denn auch die
landwirtschaftlichen Maschinen, selbst die Sensen waren überall geholt
worden: Beutegut!
Die Folge war weitgehende Unterernährung.
Es setzte unter den Alten und
den Kleinkindern ein Massensterben ein. Säuglinge sind (bis auf einen
einzigen) nicht am Leben geblieben, von den Kleinkindern nur wenige.
Aber auch andere Krankheiten: Hungerödeme, ausgedehnte Hauteiterungen
breiteten sich infolge der Unterernährung immer mehr aus. Bald nach der
Ausweisung der städtischen Bevölkerung brach eine Ruhrepidemie aus, im Mai
eine Typhusepidemie, die im September ihren Höhepunkt erreichte. Viele
sind dem Typhus erlegen. Das Krankenhaus war vorübergehend mit 110
Typhuspatienten belegt mit 15% Todesfällen. Der Hundertteil der nicht ins
Krankenhaus verbrachten Kranken ist wahrscheinlich höher. Im Herbst ließen
die Einlieferungen nach,
wohl weniger, weil die Epidemie nachließ als deshalb, weil die meisten
Deutschen inzwischen hatten auswandern müssen.
Durch Mord, Seuchen, Unterernährung sind große Lücken in der Bevölkerung,
aufgerissen worden, mehr aber noch wurde sie dezimiert durch die
Verschleppungen.
Ende Februar begann die GPU ihre Tätigkeit.
Die Menschen wurden von der
Straße, vom Arbeitsplatz, aus den Häusern, aus den Betten ergriffen und
auf Lastautos nach dem nächsten GPU-Gefängnis gebracht. In Rössel
war dieses im Gymnasium.
Bei einem Menschenfang, denn anders konnte man die Verhaftungen nicht
bezeichnen, wurde ganz willkürlich vorgegangen, nicht etwa nach
parteilicher Belastung. So wurden vom Postinspektor L. aus Rössel alle
vier Töchter geholt, von denen keine je mit der Partei etwas zu tun gehabt
hatte. Von diesen ist die älteste im Dezember
krank nach Berlin zurückgekehrt, die zweite ist in Sibirien gestorben, von
den beiden jüngsten fehlt jede Spur.
Es wurden von Männern und
Jungens zwischen 70 und 15 Jahren etwa 90%, von Frauen und Mädchen
zwischen 50 und 15 Jahren etwa die Hälfte verschleppt.
Häufig sind stillende Mütter
von ihren Säuglingen fortgerissen worden, häufig Mütter von sechs und mehr
Kindern......“
Geschäftsfrau E.S. aus Rössel:
aus der Bild-Serie,
Flucht und Vertreibung
"29.Januar 1945. Frau K. im ersten Stock wurde sehr schwer vergewaltigt.
Ihre 78 jährige Mutter die im Sterben lag, wurde aus dem Bett
auf die Erde geworfen und blieb dort liegen.
Ein 20 jähriges Mädchen wurde
in dieser Nacht 20 mal vergewaltigt. Dauernd kamen Russen in das
Zimmer, drohten und fluchten. Immer wieder wurde gebetet
" Lieber Heiland lass uns
sterben"
Zu Nemmersdorf: 1997 erschien von Bernhard Fisch: "Nemmersdorf,
Oktober 1944 - Was in Ostpreußen wirklich geschah",
edition Ost, Berlin 1997 eine Untersuchung des 1926 in
Willenberg/Ostpreußen geborenen Fisch.
Dieser hatte in der DDR Karriere gemacht als Dozent für russische Sprache.
Das gesamte Buch liest sich auch als Entlastungsversuch für die Rote Armee
und diente G. K. als Steilvorlage.
Fisch versucht das Massaker zu beschönigen, die Opfer herunterzurechnen.
Er selbst war übrigens in der Nähe von Nemmersdorf im Oktober 44 als
junger Soldat eingesetzt.
Fast generell bestritt er (Gott sei Dank ohne Erfolg) die Authenzität der
meisten Quellen, die herkömmliche Darstellung
mit der Intention "Hitler brauchte Greuel-Nachrichten vom Wüten der Roten
Armee, um die angeschlagene Heimatfront zu stärken".
Er besuchte Anfang der 90er noch lebende Zeitzeugen aus dem Heimatkreis
Gumbinnen; einige lehnten aber den Kontakt
mit ihm vehement ab, da seine
niederträchtigen Absichten sich relativ schnell in der
Landsmannschaft Ostpreußen rum sprachen.
Offiziell warnten Funktionäre der Landsmannschaft vor dem umtriebigen
Alt-Kommunisten.
Selbst die Gräfin Dönhoff (die bei der Flucht ihren Gut Streck im Stich
ließ und allein
mit ihrem edlen Gaul sich in Richtung Westen machte) lehnte das Ansinnen
für ein Vorwort ab.
Das Vorwort schrieb - ganz im Stile der PC der Militärhistoriker Dr.
Wolfgang Wünsche -
ein akzeptables Nachwort
Ralph Giordano * klick *, der die
Verbrechen der Roten Armee nicht abstritt.
Er schrieb: "Es ist die gleiche Öffentlichkeit herzustellen, für
Verbrechen von Deutschen,
wie für Verbrechen an Deutschen,
unter Wahrung der Chronologie, der
Kausalität von Ursache und Wirkung".
(Anm.:
Wenn eine
Ursache, stets die selbe oder auch eine viel größere Auswirkung
völlig zu recht nach
sich ziehen muss,
was hatte dann Stalin
und Berija`s
Vernichtungs-Terror ihres NKWD
gegen Minderheiten ganz
genau für eine "Legitimation"
?
=> Manch einer rückt
/ biegt sich die Weltgeschichte auch gern mal
nach seiner Gesinnung zurecht -
GENOSSE Giordano!
)
Nützlich ist das Buch trotzdem wg. der Vielzahl der angegebenen Quellen,
die allerdings von Fisch inakzeptabel gedeutet werden!
In der LM Ostpreußen will niemand etwas mit dem ehemaligen Landsmann etwas
zu tun haben.
Verstehen kann seine Haltung wohl niemand - möglicherweise ist seine
Sozialisation in der DDR dafür verantwortlich!
|
Die Ereignisse von Nemmersdorf
nach Unterlagen im Bundesarchiv Koblenz zusammengestellt und
bearbeitet
von Dr. phil. Rudolf Grenz
Als im Jahre 1944 die ersten russischen Truppen deutschen Boden
betraten, war dieses Ereignis verbunden mit furchtbaren
Schreckensnachrichten über das Verhalten der „Roten Armee"
gegenüber der deutschen Zivilbevölkerung. In diesem Zusammenhange
wurde Nemmersdorf Ort und Begriff der Unmenschlichkeit.
Nemmersdorf wurde gleichzeitig auf deutscher Seite das Schlagwort,
um den Widerstand des letzten Mannes zu mobilisieren. Auch der
Ausarbeiter dieser Zeilen bekam im März 1945 an der Neißefront ein
Flugblatt in die Hand gedrückt, auf dem zu lesen stand:
„Jeder 10 dieser
nimmersatten roten Bestie! Rache für Nemmersdorf!" Was war
dort nun vorgefallen?
Sehen wir uns zunächst einen zeitgenössischen Bericht
vom 31. 10. 1944 aus
den „Leipziger Neuesten Nachrichten" an.
Neben dem Leitartikel „Erster Großangriff gegen Ostpreußen" findet
sich ein Bericht mit der Überschrift
„Grauenhafte
Bestialitäten der Bolschewisten südlich Gumbinnen". Er ist
abgefaßt von dem Kriegsberichter Joachim Fischer. Aus Gründen der
Dokumentation lassen wir die Ausführungen vollständig folgen:
„Als in diesen Tagen deutsche
Truppen südostwärts Gumbinnen in harten Gegenangriffen die
durchgebrochenen Gardeschützendivisionen der elften Garde-Armee
zurückdrängten und über die Rominthe zurückwarfen, gewannen sie
verlorengegangenes deutsches Gebiet wieder, das nur drei Tage vom
Feind besetzt war. Was die deutschen Truppen vorfanden, entlarvte
jenen Bluff-Befehl Stalins, wonach die deutsche Bevölkerung
anständig zu behandeln sei[/color , [color=yellow]denn
die deutschen Soldaten fanden nicht nur verbrannte, verwüstete,
gebrandschatzte und ausgeplünderte Höfe, niedergestochenes,
wahllos erschlagenes Vieh, sondern sie fanden ermordete,
geschändete deutsche Zivilisten, vor allem aber wieder - wie immer
dort, wo der Bolschewismus Platz greift —geschändete, grausam
vergewaltigte und niedergemachte deutsche Frauen.
Deutsche Soldaten einer schlesischen Panzerdivision fanden bei
ihrem Einbruch in die sowjetischen Verteidigungsstellungen in dem
Ort Alt-Wusterwitz, zehn Kilometer südlich Gumbinnen, in einem
Gehöft 15 ermordete Zivilisten,
die zum Teil in einer niedergebrannten Scheune
verkohlt aufgefunden wurden. Ein älterer Mann
wurde mit Nagelungswunden an den Händen entdeckt — er war an einer
Tür gekreuzigt worden. Zwei Frauen wurden vergewaltigt,
mit Stich- und Schußwunden tot
aufgefunden. In dem kleinen Dorf Schweizern, 10 Kilometer
südöstlich Gumbinnen, wurde durch einen Stoßtrupp, der in diese
Ortschaft einbrach, in einem Hause
eine vergewaltigte, etwa 22jährige Frau gefunden, die noch mit
eingeschlagenem Schädel lebte, jedoch, ohne das Bewußtsein
wiederzuerlangen, starb. In Schulzenwalde, 12 Kilometer
südlich Gumbinnen, wurden aufgefunden: 9
ermordete Zivilisten, darunter drei Frauen, die ebenfalls
geschändet und dann erschlagen und erschossen' wurden.
Zwischen den Orten Lutzen und Bismarckhöhe, 11 Kilometer südlich
Gumbinnen, wurde in einer Senke ein Reichsbahnarbeiter, in
Sprindort, 8 Kilometer südöstlich Gumbinnen, wieder Zivilisten in
einer Mulde erschlagen aufgefunden. Bei den Ermordeten waren alle
Altersklassen vertreten. In einem Falle, in Schulzenwalde,
waren ein jüngerer Mann und ein Kind
unweit einer vergewaltigten Frau aufgefunden worden, die
zusammengehörten. Die Schändungen der Frauen wurden durch
Körperlage und die zerrissenen Kleidungsstücke
nach ärztlichen Feststellungen
einwandfrei geklärt. Auch die anderen Fälle wurden alle
durch Ärzte, durch Offiziere und die Soldaten, welche die
Ermordeten auffanden, festgestellt.

Aus berechtigter Angst vor den
bolschewistischen Horden brachten sich viele Deutsche um!
Das Austoben der Bolschewisten ist der Beweis einer systematischen
Erziehung zum Mord. So wie Gefangene aussagen — ebenfalls
Angehörige der 11. Garde-Armee und der 28. Armee —,
daß sie den Auftrag hatten, in der
vordersten Kampftruppe alles niederzubrennen und zu vernichten,
damit die nachfolgenden bolschewistischen Verbände nicht sehen
konnten, wie die Deutschen leben, so ist dieses grausame
Toben einer unmenschlichen Soldateska ein Beweis für die
Entwicklung eines Volkes, die wir als Westeuropäer nur aufs
höchste verabscheuen können. Wenn die jüdischen Kommissare und die
Offiziere des Feindes sich hinstellen und den Sowjet-armisten
zurufen: „Plündert, raubt, schändet —
euch gehört Deutschland!" — dann brauchen sich die Führer
der Gegenseite nicht zu wundern, wenn der Krieg, besonders jetzt
im ostpreußischen Raum, eine Härte annimmt, wie sie vielleicht
bisher noch nicht gegeben war. Die Schandtaten von
Nemmersdorf und
Wusterwitz, von
Schweizerau und
Lutzen, von
Schulzenwalde und
Sprindort werden unvergessen
bleiben. So schlägt die sowjetische Schandtat zurück, und im
fanatischen Haß eines Volkes wird der deutsche Sieg erstehen."
Aus den vorliegenden Ausführungen ersehen wir, daß neben der
Goebbelschen Propaganda, die besonders im letzten Abschnitt
hervorsticht, nicht nur Nemmersdorf
von den russischen Übergriffen auf die Zivilbevölkerung betroffen
war, sondern darüber hinaus eine Anzahl weiterer Ortschaften.
Der Name Nemmersdorf wurde aber zum Symbol erhoben, und zwar
entweder weil dies der weiteste Punkt des 1. russischen Vorstoßes
auf ostpreußisches Gebiet war, weil sich an diesem Ort die
Verbrechen besonders häuften oder weil der Ortsname besonders
propagandaträchtig erschien und als der klangvollste herausgehoben
wurde.
Im übrigen aber muß sachlich festgestellt werden, daß es vom
Objekt her gleichgültig ist, welcher Ortsname zum Symbol für die
Gewalttat erhoben wurde. Das Ausschlaggebende ist vielmehr, daß
diese Vorgänge, die allerdings
späterhin noch durch ein Vielfaches überboten wurden, tatsächlich
stattgefunden haben. Dabei ist wichtig, daß die breite
Masse der russischen Soldaten Gewalttat
als etwas
Selbstverständliches übte. Dies war trotz allen Aufbietens
deutscher Schuld bei der Deutschen Wehrmacht
nicht der Fall.
Die russische Frau brauchte Gewalttat
nicht zu fürchten. Der Übergriff war die Ausnahme!
Lediglich bestimmte Einheiten im Partisaneneinsatz wie etwa die
Einheit Dirlewanger gingen hier und da auch gegen die
Zivilbevölkerung vor, indem ganze Dörfer abgebrannt wurden,
aus denen heraus Partisaneneinsätze
geführt worden waren. In diesen oder ähnlichen Fällen
ergriff die „Rote Armee" allerdings bedeutend härtere Maßnahmen,
was schon allein der Umstand zeigt, daß aus eingeholten
Flüchtlingstrecks fast
stets die Männer wahllos herausgegriffen und erschossen wurden;
gegen die alten Männer vom „Volkssturm"
wurde in ähnlicher
Weise vorgegangen. Zu Partisaneneinsätzen gegen die „Rote
Armee" ist es im übrigen in Deutschland
so gut wir gar nicht gekommen.
Zum Teil lassen sich die rücksichtslosen Maßnahmen der Sowjets
allerdings aus einer Fehleinschätzung des Nationalsozialismus und
seiner Verankerung im deutschen Volk herleiten; die russischen
Führungsschichten waren anscheinend der Auffassung, daß jeder
Deutsche ein Spiegelbild der Propaganda von Joseph Goebbels
darstellte. Dies zeigt vor allem die Mitteilung in der
Selbstbiographie des russischen SMA-Offiziers Gregory Klimow, nach
der die russischen Besatzungskommandeure in Deutschland bei ihren
turnusmäßigen Zusammenkünften mit Staunen feststellten,
daß keine
Diversionsakte zu melden waren.
Sie hatten fest damit gerechnet, daß die Deutschen Partisanenkrieg
gegen die „Rote Armee" führen würden.
Untersuchungsergebnisse
Am 5. Juli 1946 sagte Generalmajor
Dethleffsen, ehemaliger Chef des Stabes der in Ostpreußen
eingesetzten 4. Armee, vor einem amerikanischen Gericht in Neu-Ulm
aus:
„Als im Oktober 1944 russische Verbände vorübergehend bis
Nemmersdorf vorstießen, wurde in einer größeren Anzahl von
Ortschaften südlich Gumbinnen die Zivilbevölkerung
z.T. nach Martern wie
Annageln an Scheunentore durch russische Soldaten erschossen.
Eine große Anzahl von Frauen wurde vorher vergewaltigt.
Dabei sind auch
etwa 50 französische Kriegsgefangene durch russische Soldaten
erschossen worden. Die betreffenden Ortschaften waren 48
Stunden später wieder in deutscher Hand ..."
Der Oberleutnant der Reserve, Dr.
H. Amberger, Chef einer
Fallschirm-Panzergrenadier-Kompanie, die am deutschen
Gegenangriff beteiligt war, sagt in einer eidesstattlichen
Erklärung:
„Die bereits vorher umlaufenden Gerüchte über die Niedermetzelung
der deutschen Zivilbevölkerung durch die Russen
fand ich dort voll bestätigt.
Ich sah aus der durch Nemmersdorf hindurchführenden Landstraße
Gumbinnen—Angerapp, in unmittelbarer Nähe der über das Flüßchen
Angerapp führenden Straßenbrücke,
einen von
russischen Panzern zusammengefahrenen Flüchtlingstreck, von
dem nicht nur die Fahrzeuge und Zugtiere,
sondern auch eine
große Anzähl von Zivilisten, vorwiegend Frauen und Kinder, durch
die russischen Panzer plattgewalzt waren. Am Straßenrand
und in den Höfen der Häuser
lagen massenhaft
Leichen von Zivilisten, die augenscheinlich nicht nur durch
Kampfhandlungen führende Geschosse getötet waren,
sondern planmäßig
ermordet worden waren. Am Straßenrand saß,
zusammengekauert, eine durch
Genickschuß getötete alte Frau. Nicht weit davon lag ein
mehrere Monate alter Säugling,
der durch einen
Nahschuß durch die Stirn (stark verbrannter Einschuß, faustgroßer
Ausschuß am Hinterkopf) ermordet war. Eine Anzahl Männer,
die keine weiteren tödlichen Verletzungen aufwiesen, waren durch
Schläge, wohl mit Spaten oder Gewehrkolben,
in das völlig
zertrümmerte Gesicht getötet worden. In mindestens einem
Fall war ein Mann
an ein Scheunentor angenagelt worden. Aber nicht nur in
Nemmersdorf selbst, sondern auch in den benachbarten, zwischen
Ange-rapp und Rominten gelegenen Ortschaften, die bei dem gleichen
Gegenangriff von russischen Truppen gesäubert wurden,
wurden zahllose gleichartige Fälle
festgestellt. Lebende deutsche Zivilisten habe ich weder in
Nemmersdorf, noch in den Nachbarortschaften mehr angetroffen,
obschon von dort infolge der überraschenden russischen
Panzervorstöße keine nennenswerte Zahl von Flüchtlingen hat
fortkommen können ..."
|
|
Hauptmann der
Reserve Herminghaus berichtet über Nemmersdorf:
„Den deutschen Truppen bot sich bei der Rückgewinnung in dem Orte
Nemmersdorf ein grauenvolles Bild, das erstmalig in eindeutiger
Form dem deutschen Volke zeigte, was jeder einzelne zu erwarten
hatte, wenn die russischen Soldaten Gewalt über ihn haben. Es
wurden die in dem Dorf überraschten Frauen, darunter auch einige
Ordensschwestern, nach der Eroberung
durch die Russen zusammengetrieben, vergewaltigt und übel
zugerichtet.
Dann sind die Frauen auf bestialische An und Weise erstochen oder
erschossen worden. Das übertraf an Scheußlichkeit alle bisher
erlebten Kampfeindrücke.
So sieht es heute
in Schulzenwalde aus , wo 95 Deutsche bestialisch von den
Bolschewisten ermordet wurden
Seitens der Armee wurde sofort um Entsendung der damals noch
neutralen Presse gebeten.
Es waren Reporter aus
der Schweiz und Schweden, auch Spanier und Franzosen aus dem
besetzten Frankreich dorthin gebracht worden, die das schreckliche
Geschehen in Augenschein nahmen. In einem großen Durchlaß
eines Vorflutgrabens hatten sich Frauen mit ihren Kindern und auch
alte Männer versteckt. Die Russen
schossen, als sie diese Menschen entdeckt hatten, mit
Maschinengewehren und warfen Handgranaten hinein. In
Nemmersdorf fand man
60, im Raum von Schulzenwalde
95 ermordete Personen."
Aus den gleichen Tagen in Nemmersdorf liegt auch ein rührendes
Zeugnis über die Hilfsbereitschaft polnischer Gutsarbeiter vor.
Darüber berichtet Frau Erika Feiler aus Nemmersdorf,
die für die Identifizierung einzelner
Opfer hingeholt worden war:
„Der Grimmsche Besitz, der ,Schroeders-Hof, liegt etwa einen
halben Kilometer von Nemmersdorf entfernt. Als die Russen
eindringen, wird der Mann des Schroeders-Hofs von den Russen von
seinem Treckwagen
heruntergezerrt und erschossen. Frau Grimm selbst wird
durch ihre polnischen Arbeiter dadurch gerettet, daß diese ihr
polnische Tücher umwerfen und den Russen gegenüber als
ihresgleichen ausgeben. Sie lebte einen Tag und eine Nacht
während der Gefechte bei den Polen. Sie hat in dieser Zeit, mit
Unterstützung der polnischen Arbeiter, ihren Mann im Garten
begraben, und sie ist dann mit ihren polnischen Familien auf die
Flucht gegangen."
Kaum glaublich
erscheint in diesem Meer des Grauens die folgende Geschichte:
„Als die Frau des Ortsgendarms
von Nemmersdorf hört, wie der Gefechtslärm näher kommt und lauter
wird, nimmt sie ihre beiden Kinder an die Hand und rennt durch den
Ort in entgegengesetzter Richtung des Kampfgetümmels davon. Ein
deutscher Panzer, der an der Frau vorbeirollt, hat die
verzweifelten Rufe dieser Frau im Rasseln der Ketten und im
Dröhnen des Motors vielleicht gar nicht gehört. Er fährt weiter,
ohne sich um die Frau zu kümmern. Und dann kommt plötzlich ein
Panzerspähwagen in Sicht. Er überholt die Frau, stoppt und
wartet, bis die Frau mit ihren Kindern aufgestiegen ist. Als er
weiter rollt, sieht sich die Frau um: Wer vermag ihr Entsetzen
nachzuempfinden, als sie in das Gesicht
eines russischen Offiziers blickt, eines noch jungen
Russen, der ihr als Kommandant dieses Wagens auf der
ausgebreiteten Karte eine Straßenkreuzung zeigt. Bis hierher
wolle er sie bringen. Dort angelangt, weist er ihr und den
Kindern die Richtung, in der sie nach seiner Meinung gehen müssen,
um den russischen AngrifFstruppen zu entgehen. Bevor die Frau, die
in ihrer Angst und Betroffenheit nicht einmal ein ,Danke' über die
Lippen bringt, herunterspringt, ruft der junge russische Offizier
ihr noch zu: ,Sie
haben Glück gehabt, doch hüten Sie sich, denn nach uns folgen
Stalinschüler!'"
|
|
Die Flucht aus Ostpreußen
nach Edgar Günther Lass und anderen
Die Flucht aus Ostpreußen begann bereits im Oktober 1944. Darüber
berichtet Ursula Schmalong
aus Eggenhof Ostpreußen (Kuttkuhnen):
Am 21. Oktober 1944 war, wie auch an den vorangegangenen Tagen,
schon frühmorgens große Unruhe im Ort und auf unserem Hof. Alle
Plätze waren von Flüchtlingsfuhrwerken und Militär besetzt. In
den Wohnhäusern gab es keinen Platz mehr. Es hieß, russische
Panzer sind in der Nacht östlich von Gumbinnen in Groß-Waltersdorf
(Walterkehmen) eingedrungen. Unaufhörlicher Kanonendonner schien
uns das zu bestätigen. Deutsche Bombengeschwader überflogen
unseren Ort, geschützt von Jagdflugzeugen, die Erde dröhnte von
abgeworfenen Bomben. Luftkämpfe entspannen sich, Flugzeuge wurden
abgeschossen. Aus den getroffenen, abstürzenden Flugzeugen sah
man Fallschirme heruntergehen. Immer mehr Menschen strömten durch
unseren Ort, auch Trecks aus dem Kreise Gumbinnen waren schon
darunter. Gegen Abend wurde es ruhiger; es kam eine
Pferdemusterungskommission, die nach Goldap wollte, um Pferde für
die Wehrmacht zu mustern. Eine Bäckereikompanie machte Quartier in
Gut Wolfseck (Wilkoschen). In der Nacht vom 21. auf den 22.
Oktober, etwa um 11.00 Uhr, wurde es lauter; man hörte
Gewehrschüsse. Der Himmel war rot vom Feuerschein brennender
Ortschaften. Plötzlich brachen neue Feuer in der Nähe etwa in Gut
Plicken und Samfelde (Szameitschen) aus. Das Rasseln von
Panzerfahrzeugen war zu hören, Pakgranaten schlugen ein. Es kam
die Anordnung, unsere Heimat zu verlassen. Unsere Männer waren
alle bei der Wehrmacht und dem Volkssturm. Wir hatten nur Polen
und Russen auf unserem Hof; sie waren alle bereit, mit uns zu
flüchten. Sie spannten die Wagen an und bemerkten im Dunklen der
Nacht, daß hier lagernde Kolonnen die Räder von unseren Treckwagen
abgenommen hatten, um sie gegen ihre schlechten Räder
auszuwechseln. Die Wagen wurden wieder notdürftig fahrbereit
gemacht. Wir legten noch ein paar Sachen auf unseren Wagen, und um
12.00 Uhr nachts fuhren wir von unserem Hof und reihten uns in die
Kolonne der Trecks in Richtung Nemmersdorf ein. Es ging nur
langsam vorwärts. Etwa um 2 Uhr nachts waren wir an der Straße,
die zum Gut Hermann Teichhof und weiter nach Wiekmünde (Norgallen)
führte, kurz vor der Brücke über die Angerapp in Nemmersdorf. Es
ging nicht weiter. Hinter uns brachen immer mehr Feuer aus, Gewehr
und Granatschüsse waren zu hören. Da es trotz Wartens immer noch
nicht weiterging, gingen die Treckfahrer zur Brücke, um zu sehen,
weshalb wir nicht weiterfahren konnten. Die Brücke hatte deutsche
Feldgendarmerie besetzt, und es wurde erklärt, daß deutsche Panzer
im Anmarsch sind und die Brücke zur Überfahrt für die Panzer
freigehalten werden müßte. Der Zeiger der Uhr ging auf 5.00 Uhr
morgens. Die Brücke über die Angerapp war immer noch nicht
freigegeben. Granaten schlugen bereits neben uns ein,
Gewehrkugeln pfiffen uns um die Ohren. Wir drängten uns unter dem
Granat- und Kugelhagel zur Brücke über die Angerapp; sie war frei.
Ein dichter Nebel bildete sich; wir konnten unter dem Schutz des
Nebels, wenn auch im Granatenhagel, weiter in Richtung Sodehnen
fahren, bis es wieder durch Verkehrsstauungen auf den Straßen zum
Halten kam.
Der Kreis Gumbinnen, in dem die Front seit Oktober östlich
Teufelsmoor (Kreis Stallupönen) — Grünhof — Königseichen — Guddin
— Domhardtshof — Jägershausen — Grünweiden — Großwaltersdorf —
südlich weiter entlang der Straße nach Goldap verläuft und der
westlich vom Kreis Stallupönen (Ebenrode) liegt, wird am 17.
Januar angegriffen. Die Stadt Gumbinnen selbst wird heftig
umkämpft und fällt am 19./20. endgültig in russische Hände.
Das restliche Kreisgebiet wird nach dem Durchbruch bei Gumbinnen
geräumt. Am 22. ist der ganze Kreis in
Feindeshand.
Die noch im Kreisgebiet befindlichen Dreschkommandos, das
Bahnpersonal, die Behördenleiter und die Verantwortlichen in den
Gemeinden haben den Kreis zwischen dem 13. und 21. Januar
geräumt. Aber nur ein Teil gelangt noch zu seinen Familien im
Aufnahmekreis Osterode. Die meisten müssen zur Haffküste fliehen.
Fast um die gleiche Zeit, da Gumbinnen hart umkämpft wird,
zwischen dem 18. und 21. Januar, muß die evakuierte Bevölkerung
der Stadt aus dem Aufnahmekreis Osterode ein zweites Mal fliehen.
Große Teile der
Trecks werden bei dem raschen Vormarsch der Russen im
Aufnahmekreis selbst oder in den Kreisen Mohrungen und P. Holland
während der Flucht überrollt und teilweise zur Rückkehr gezwungen.
Dabei werden wieder zahlreiche Bewohner aus Gumbinnen ermordet.
Viele, meist Frauen und Mädchen, werden nach Rußland verschleppt.
Unter den Gumbinnern, die im Kreise Osterode ebenfalls bedroht
werden, ist auch Bauer Uschkoreit mit Familie. Sie trecken am 19.
Januar morgens, mit ihren Landarbeiterfamilien und zwei
Russenfamilien, die schon einige Jahre auf dem Hof tätig gewesen
sind: fünf Wagen, 16 Pferde ziehen in Richtung Westen.

Osterode 1939
Die Hauptstraße nach Osterode ist voll von Trecks. Stürmische
Winde jagen Eiseskälte vor sich her. Schneeverwehungen erschweren
den Marsch. Nur Schritt für Schritt kommen sie voran. Die
Unterbrechungen werden immer länger, die Angst größer. Tausende
von Rindern irren herrenlos über die weiße Fläche. Sie hungern,
schreien, erfrieren, denn keiner kann ihnen helfen. Und dann ist
der Schrei in der Luft:
„Russische Panzer!"
Polternd kommen sie angerollt. Die von den Trecks suchen im Graben
Deckung, aber die Kälte treibt sie zu den Fahrzeugen zurück.
Russische Soldaten sind unter den Flüchtlingen.
Sie durchwühlen die Wagen nach Wertsachen. Sonderbar: Die
russischen Familien lassen sie in Ruhe. Und da diese nur das Beste
von den deutschen Bauern berichten, tut man auch diesen nichts.
Doch dann kommt die Nacht. Schreie der Angst, der Not, der
Schmerzen. Dann Schüsse.
Und als der Morgen graut, sind die russischen Familien
verschwunden, die meisten Frauen und Mädchen Opfer der Soldaten
geworden, die Wagen ausgeplündert.
Hinter Liebemühl wird auch der Treck des Bauern Fritz Preugschat
aus Eichenfeld (Wilpischen) vom Russen überrollt: „Die kämpfende
Truppe tat uns nichts. Sie haben uns nur die Ringe und Uhren
abgenommen; aber dann kam die zweite Front.
Ich selbst wurde hinausgeholt, bekam einen Streifschuß, und lag,
nicht sehr schwer verwundet, unter acht Leichen."
Ähnliches erlebt auch Erna Schmerberg, eine geborene Tillwick, die
im Oktober 1944 aus Richtfelde (Gerwischken) in die Nähe der Stadt
Gilgenburg treckt und im Januar bei Liebemühl überrollt wird, und
sie sagt: „Draußen fallen Schüsse. Bald wurde die Tür aufgerissen.
Zwei russische Offiziere holen die Männer heraus, gleich, ob jung
oder alt. Als es etwas ruhiger wird, schleichen sich einige von
uns hinaus. Dort bietet sich ein Bild des Schreckens.
Eine große Anzahl
Männer liegt erschossen vor der Tür, die meisten tot durch
Genickschuß. Unter denen, die noch leben, sind die Bauern
Preugschat und Ligat aus Eichenfeld (Wilpischen).
Die beiden Söhne von
Ligat jedoch sind tot..."
Frau Emma Abromeit, geborene Kroeck, belegt, daß am 4. Februar
ihre Schwester Frieda Neumann aus Norbuden, Kreis Gumbinnen, in
Kernsdorf im Kreise Osterode
von betrunkenen Russen
erschossen worden ist. Deren Quartierwirtin, Frau Buttler,
hatte einen Durchschuß
durch beide Beine, der Sohn von Buttlers einen Bauchschuß, an
dessen Folgen er verstarb. In derselben Nacht trank die
frühere Nachbarin ihrer Schwester, Frau Emilie Radschus, aus
Verzweiflung Essigessenz. Sie starb unter den schrecklichsten
Qualen.
|
|
Eine
deutsche
Opferstätte:
Vor sechzig Jahren
verheerte die Rote Armee das
ostpreußische Nemmersdorf
Quelle: Junge
Freiheit von
Thorsten Hinz
Im Sommer 1944 senkte sich
Endzeitstimmung über Deutschlands östlichste Provinz.
Hans von Lehndorff hat sie im "Ostpreußischen Tagebuch" in
klassische Sätze gefasst.
Noch nie vorher sei "das
Licht so stark, der Himmel so hoch, die Ferne so mächtig gewesen.
Und all das Ungreifbare, das aus der Landschaft heraus die Seele
zum Schwingen bringt,
nahm in einer Weise Gestalt an, wie es nur in der Abschiedsstunde
Ereignis zu werden vermag".
Wie aber sah die militärische Lage aus?
Am 22. Juni hatte die Rote
Armee ihre Großoffensive eingeleitet. Die Heeresgruppe Mitte wurde
zertrümmert, die Ostfront entblößt.
Aus dem Memelland setzten sich erste Flüchtlingstrecks in Marsch.
Der Wehrmacht gelang es, die Front auf einer Linie vom Peipus-See
vorbei
an der Ostgrenze Ostpreußens bis zur mittleren Weichsel zu
stabilisieren. Bereits im August drängte der Oberbefehlshaber der
4. Armee,
General Friedrich Hoßbach, auf die Evakuierung der Bevölkerung aus
den östlichen Teilen Ostpreußens. Doch Gauleiter Erich Koch wollte
von einem Räumungsbefehl nichts wissen. So nahm der Schrecken
seinen Lauf. Am 16. Oktober 1944
begann auf einer 140 Kilometer breiten
Front ein russischer Angriff, der ins Innere der Provinz zielte.
Erbitterte Gegenwehr brachte die russische Übermacht ein letztes
Mal zum Stehen,
doch die Frontlinie lag nun diesseits der Reichsgrenze. Und "was
aus einigen vorgeschobenen Orten berichtet wurde,
die der Feind nach kurzer Besetzung wieder aufgegeben hatte, ließ
das Blut erstarren" (Hans von Lehndorff).
Der Schrecken hatte einen Namen:
NEMMERSDORF.
Das war der äußerste Punkt, bis zu dem die Russen vorgedrungen
waren.
Unübersehbare gegenwärtige Tendenz
zur Verharmlosung.
NEMMERSDORF liegt südlich der Kreisstadt Gumbinnen an der Angerapp.
Die Brücke über den Fluss verlieh dem Ort strategische Bedeutung.
Am Freitag, den 20. Oktober,
herrschte hier Chaos. Flüchtlingstrecks und Militär-Transporte
blockierten sich gegenseitig. Ein Räumungsbefehl
war nicht erteilt worden, verlässliche Informationen über den
Frontverlauf fehlten. Die meisten Bewohner schlossen sich den
Trecks an, einige
warteten ab. Am 21. Oktober
morgens um sechs begann die Beschießung, um 7.30 Uhr drangen
sowjetische Soldaten über die Angerapp-Brücke
in NEMMERSDORF ein. Bei Beginn der Kämpfe hatten sich vierzehn
Dorfbewohner und Flüchtlinge in einen Unterstand begeben.
Als ein von Flugzeugen unterstützter deutscher Gegenangriff
erfolgte, suchten auch russische Soldaten den Bunker auf.
Nach dem Abflauen der Kampfhandlungen befahlen sie den Zivilisten
- Frauen, Kinder und alte Männer -, den Bunker zu verlassen.
Sofort eröffneten sie
das Feuer.
Nur eine junge Frau überlebte, weil der
Kopfschuss, den sie erhalten hatte, durch den Mund wieder
heraustrat.
Am 23. Oktober gegen 4.30 Uhr
zogen die Russen sich auf die andere Seite der Angerapp zurück.
Den nachrückenden deutschen Soldaten boten sich Bilder des
Grauens. Die dreizehn ermordeten Bunkerinsassen waren nicht die
einzigen Toten.
Man fand erschlagene Kinder und an Scheunentore genagelte Frauen,
zum Teil vergewaltigt. Der Kopf eines Mädchens war gespalten.
Am 27. Oktober traf eine
internationale Ärztekommission ein. Ihre Untersuchungsergebnisse
wurden am 31. Oktober in der
Berliner Charité vorgestellt.
Der Völkische Beobachter
startete eine Artikelserie unter der Überschrift
"Das Wüten der sowjetischen
Bestien - Furchtbare Verbrechen
in NEMMERSDORF". NEMMERSDORF sollte zum Fanal des
Widerstands werden, doch es wurde zum Menetekel.
Als Auftakt zum grausigen Finale
des deutschen Ostens spielt Nemmmersdorf in der
Vertriebenen-Literatur eine überragende Rolle, aber nicht nur
dort.
Im Buch "Zweierlei Untergang" (1986)
nahm Andreas Hillgruber NEMMERSDORF zum Anlass, die tragische
Situation der deutschen Wehrmacht zu
veranschaulichen, die der ostdeutschen Bevölkerung "den Fluchtweg
nach Westen freizuhalten versuchte", um sie "vor den Rache-Orgien
der Roten Armee,
den Massenvergewaltigungen, den willkürlichen Morden und den
wahllosen Deportationen zu bewahren".
Der Preis, den sie dafür zahlte, war - neben dem eigenen Blutzoll
- die Verlängerung des NS-Regimes.
Wegen dieser Sätze wurde Hillgruber im Historikerstreit nach Ernst
Nolte das zweite Opfer der Habermasschen Perfidien.
Doch auch die heute staatstragende Geschichtsschreibung und
Publizistik kann NEMMERSDORF
nicht gänzlich
ignorieren,
allerdings ist
die Tendenz
zur Verharmlosung unübersehbar.
Goebbels kam in seinem Tagebuch viermal namentlich auf NEMMERSDORF
zurück.
Am 3. November 1944 notierte
er: "Im übrigen
leisten die Sowjets sich den schaurigen Scherz, ihre von uns
festgestellten Gräuel-Taten
in Ostpreußen als deutsche Erfindung zu bezeichnen und darüber
hinaus zu behaupten, dass wir Zivilisten (...) selbst erschießen
lassen,
um Tote für die Wochenschau zu haben."
Sie würden eben von sich auf andere
schließen.
Die russische Taktik war aber wirkungsvoll. Das britische
Außenministerium machte sich die Darstellung zu eigen,
und noch die US-Ankläger im Nürnberger Prozeß
hielten die
NEMMERSDORF-Berichte für gefälscht ("faked").
Die Protokolle der internationalen Untersuchungskommission sind
verschollen, nur die Fotos blieben erhalten.
Allerdings hat der amerikanische
Historiker
Alfred M. de Zayas unter anderem
mit dem Stabschef der 4. Armee,
Generalmajor
Erich Dethleffsen, gesprochen,
der ihm den Inhalt des Untersuchungsberichts ausdrücklich
bestätigte.
1997 veröffentlichte der
Hobbyhistoriker Bernhard Fisch das Buch
"NEMMERSDORF,
Oktober 1944".
Fisch, selber Ostpreuße, war im
Oktober 1944 nach NEMMERSDORF abkommandiert worden.
Fünfzig Jahre später befragte er überlebende Zeugen und überprüfte
die vorliegenden Berichte und Darstellungen.
Leider hatte Fisch, der nach dem Krieg in Thüringen als
Russisch-Lehrer gearbeitet hatte und sich für die
"deutsch-sowjetische Freundschaft"
engagierte, den Ehrgeiz, nebenbei die "kalten Krieger" im Westen
zu "entlarven", was ihn zu abstrusen Schlussfolgerungen
verleitete.
Doch sein Buch enthält auch aufschlussreiche Details.
Er wies nach, dass sich in einigen der NEMMERSDORF-Berichte
Erlebtes und Gehörtes vermischen und die
kanonisierte Zahl von 61 Toten, die Opfer aus den Nachbardörfern
Tutteln und Alt-Wusterwitz mit einschließt.

Harry Thürk war
Zeuge von Nemmersdorf, verklärte
das Gesehene in der DDR jedoch im Sinne der SED Regierung
Vor allem hat er den Schriftsteller Harry Thürk - der in der DDR
als "Ost-Konsalik" sehr populär war - befragt.
Thürk gehörte zu den ersten Soldaten, die
am 23. Oktober 1944 in
NEMMERSDORF einrückten.
Er berichtete: "Ich habe tote Zivilisten auf einem eingefriedeten
Misthaufen gesehen. Da lag ein älterer Mann, der hatte eine
Mistgabel im Brustkorb stecken. (...)
In einem Haus(!) lagen in einer großen Wohnküche eine alte Frau
auf den Fliesen. Eine jüngere Frau lag im Hausflur. (...) Dann
waren wir in einem Schlafzimmer
mit Metall-Betten, weiß lackiert. Ein Bett war ganz von Blut
durchtränkt. Da lag aber niemand drin. (...) An einem Scheunentor,
am rechten Torflügel, war eine
Frau angenagelt." Er berichtete auch von Überresten eines
zerschossenen Trecks. Vor vier Jahren gab er in Guido Knopps Buch
"Die große Flucht" zu Protokoll:
"Wir haben ungefähr zwei Dutzend Tote
zusammengetragen. Viele wiesen Einschüsse auf und hatten starke
Verletzungen im Kopfbereich.
Wir fanden auch Frauen verschiedener Altersgruppen, deren Kleidung
um den Unterleib herum zerrissen war, zum Teil blutig."
ZDF: NEMMERSDORF teilweise
von Deutschen
inszeniert
Nach der Rezension des Fisch-Buchs in der JUNGEN FREIHEIT (JF
47/97) erhielt die Redaktion den Erlebnisbericht von Joachim
Reisch, der im Oktober 1944 zum Genesungsurlaub auf das elterliche
Gut in Perkallen gefahren war. Der Haushalt befand sich bei seiner
Ankunft bereits in Auflösung, am 20. Oktober ging der Treck ab.
Aufgrund der Schreckensmeldungen sei er
am 21. Oktober nach NEMMERSDORF
geeilt und dort gegen 11 Uhr eingetroffen.
Das ist unmöglich, da die Russen
erst am 23. Oktober das Dorf
verließen. In Reischs Erinnerung
waren drei Tage auf einen einzigen
geschrumpft. Die Überzeugungskraft seines Berichts wird
davon nicht tangiert: "Auf den umliegenden Feldern lagen
reihenweise Tote,
Kinder wie Greise, Mädchen und Frauen geschändet und verstümmelt
bis zur Unkenntlichkeit. Darunter waren auch zahlreiche
Treck-Flüchtlinge und auch französische Kriegsgefangene. Man
berichtete uns von gekreuzigten Frauen an Scheunentoren und einem
niedergewalzten Treck" (JF 8/98). Es wird durch die Aussage
Thürks bestätigt. In den folgenden Monaten sollten die
NEMMERSDORF-Gräuel noch überboten werden. Aus Pommern wird von
einem Gutsbesitzer berichtet,
dem die Arme und Beine
abgehackt wurden.
Danach warf man ihn noch lebend
den Schweinen zum Fraß vor.

Lew Kopelew *
klick *
Lew Kopelew versuchte als
Offizier der Roten Armee, die Ost-preußische Bevölkerung vor
Übergriffen zu schützen.
Dafür kam er für Jahre in den Gulag. In seinen Büchern, die
zu Sowjetzeiten nur im Westen erschienen, hat er davon berichtet.
Welche Haltung nahm die offizielle Sowjetliteratur ein?
1949 erhielt Emanuel
Kasakewitsch den Stalin-Preis für seinen Roman
"Frühling
an der Oder",
der mit dem Einmarsch in Ostpreußen beginnt und in Berlin endet.
Für die DDR-Ausgabe verfasste Georg Lukácz ein lobendes Nachwort.
Tatsächlich wurden in Ost-Deutschland Gräuel verübt -
nämlich durch
deutsche "Spione" hinter der Front, um die Rote Armee zu
diskreditieren.
Und die Vergewaltigungen?
Es gibt im Roman
eine holländische Zwangsarbeiterin, die sexuell so ausgehungert
ist, dass sie einem
attraktiven sowjetischen Offizier Avancen macht. Er weist sie
zurück, weil das mit der Ehre eines Rotarmisten unvereinbar ist.
Der Kriegspropagandist Ilja Ehrenburg räumt in seinen Memoiren
"vereinzelte Fälle
von Vergewaltigungen" ein,
"die uns alle
entrüsteten".
Von Morden ist nicht
die Rede. Es sei denn, man will folgende Sätze als
Allegorie begreifen:
"In Rastenburg
hieb ein Rotarmist wütend
mit dem Bajonett auf eine
Schaufensterpuppe ein, die in der Vitrine eines zerstörten
Kaufhauses stand.
Die Puppe lächelte kokett, er aber stach und stach ..."
In der sowjetischen Geschichtsschreibung nimmt NEMMERSDORF nur
geringen Raum ein, ein wenig mehr in Memoiren von Kriegsveteranen.
Sie erwähnen NEMMERSDORF lediglich als einen
"Bevölkerungspunkt", als ein
strategisch wichtiges Dorf, um das heftig gekämpft und viel Blut
vergossen wurde. Nachschlagewerke oder Reiseführer führen
NEMMERSDORF, das jetzt Majakowskoje
heißt, nur im Zusammenhang mit einem
Denkmal für sowjetische Soldaten auf, die dort gefallen sind.
Andere Informationen kann man nur in übersetzter Literatur
bekommen, in Heinz Guderians "Erinnerungen eines Soldaten" (1951)
oder aus dem Buch von Otto Lasch "So fiel Königsberg" (1976). Zu
den Massenvergewaltigungen finden sich ein paar Zeilen bei
Solschenizyn, der auf Stalin und Trotzki verweist. Angeblich gebe
es eine nicht ganz klare Anweisung Stalins, und Trotzki hätte
Massenvergewaltigungen im Bürgerkrieg als Taktik des
Klassenkampfes begriffen. Als die sowjetischen Truppen in
Ostpreußen einrückten, seien unter ihnen sehr viele Ex-Partisanen
aus Weißrussland gewesen, die unter dem Eindruck der deutschen
Besatzung besonders brutal zu Werke gingen.
Radio Moskau behauptete in seiner deutschsprachigen Abendsendung
am 10. und nochmals
am 12. März
2000,
in russische
Uniformen geschlüpfte "SS-Truppen" hätten deutsche Zivilisten
erschossen und traktiert, um Goebbels den Vorwand für eine noch
intensivere Durchhalte-Propaganda zu liefern.
Am 25. November 2001
streute auch Guido Knopp im ZDF die Vermutung, "dass die
NS-Propaganda die Verbrechen nicht nur instrumentalisiert, sondern
zum Teil auch inszeniert hat". Wegen der Anwesenheit von
SS-Angehörigen am Tatort wird insinuiert: "Haben sie das
Schreckensbild von NEMMERSDORF entworfen?" Zum Verhalten der
russischen Soldaten wird Gerda Meczulat, die einzige Überlebende
aus dem Bunker, befragt: "Die haben
sich sonst eigentlich ruhig verhalten. Nicht dass sie uns
irgendwie belästigt haben, das haben sie
nicht getan", erinnert sie sich an die Stunden
vor dem
Massenmord.
Eine alte Frau vor laufender Kamera bekunden zu lassen, daß ihre
knapp verhinderten Mörder sie nicht
"irgendwie belästigt" haben, ist ein Verfahren,
das für sich selbst spricht. Damit soll eine überaus kühne
Analogie suggeriert werden: Wenn im
Bunker nicht vergewaltigt wurde,
dann auch nicht im Dorf.
Der ehemalige Soldat Helmut Hoffmann gibt sich gleichfalls
überzeugt: "Wenn da geschrieben wurde,
es sind Frauen gekreuzigt oder
angenagelt worden
- das ist ungeheurer Blödsinn.
Es ist auch
keine Frau
vergewaltigt worden.
So wie sie da lagen, als sie von den Kameras aufgenommen wurden -
das hat man nachträglich gemacht."
Wahrscheinlich hat Hoffmann etwas durcheinander gebracht.
Der Vertreibungsdokumentation der Bundesregierung ist zu
entnehmen, dass die Leichen zunächst bestattet und für die
Ärztekommission wieder exhumiert
worden waren. Insofern hat man ihre Präsentation "nachträglich
gemacht". Über das, was sie vor ihrem Tod erdulden mussten, besagt
das gar nichts.
Es ist bezeichnend, dass der Film die Aussage von Harry Thürk
unterschlägt, die man nur aus dem Begleitbuch erfährt: "Erfinden
mussten sie
(die Goebbels-Propagandisten - Th. H.) das Ganze nicht. Leichen
mussten sie auch nicht von woanders herzuholen - die waren da.
Man hatte ihnen die Leichen und das, was dort geschehen war,
sozusagen auf dem Präsentierteller serviert."
Deutschland, deine Toten!
NEMMERSDORF ist eine deutsche
Opferstätte,
ein symbolischer Ort.
Sechzig Jahre
danach wartet er noch immer darauf, als solcher erkannt und
angenommen zu werden.
|
|
Weitere Berichte zu Nemmersdorf
und umliegenden Ortschaften, die Opfer bolschewistischer
Verbrechen wurden
Aus dem Archiv der Kreisgemeinschaft Gumbinnen ein
Zeitungsausschnitt des Völkischen
Beobachter vom 27. Oktober 1944:
Die Mörder von Nemmersdorf
von Kriegsberichter Kurt Lothar Tank
„Nemmersdorf, 27. Oktober.(PK). Das im Oktoberlicht blitzende
Flüßchen, die Angerapp, durchzieht die kleine ostpreußische
Ortschaft Nemmersdorf und schwingt sich dann in einem weiten,
schönen Bogen um die von einem mächtig hohen Steilhang begrenzte
Feldmark. Weiden, Erlen und Birken bilden den herbstbunten,
farbenprächtigen Hintergrund. Aus den ringsum bestellten Äckern
ragen die ersten zartgrünen Spitzen. Ein Idyll scheint dieses
ostpreußische Dörfchen darzustellen, eine Stätte ungestörten
Friedens. Doch dieses Bild eines von den Schrecken des Krieges
ungestörten Ortes bleibt nur bestehen, so lange man zur
Flußniederung schaut.
Wendet man den
Blick dem Dorfe zu, so bemerkt man bis auf den Grund
niedergebrannte Häuser und im Vordergrund auf dem sorgfältig
bestellten Acker dunkle, unförmige Klumpen: die Leichen
ostpreußischer Männer, Frauen und Kinder. 26 grauenhaft entstellte
Körper von Erschlagenen und Erschossenen, Greisen und Kindern, von
geschändeten und ermordeten Mädchen. Ein unvergeßliches Bild
unmenschlichen Grauens!

die verfallene
Nemmersdorfer Kirche im russisch geraubten Teil Ostpreußens
Deutsche Soldaten, Fallschirmjäger, die dieses Dorf wieder
erobert haben, betrachten mit erschreckten Gesichtern das
furchtbare Bild. Sie haben in mehr als fünf Jahren viel
Grauenhaftes erlebt, sie kennen den Tod in seiner
schonungslosesten Erscheinung. Doch der Anblick ihrer
hingemordeten Landsleute übersteigt alles, was sie bisher erlebt
haben. Selbst die Höllenbilder aus Warschau, die noch so blutig
in ihrer Erinnerung lebendig sind, verblassen davor. — Sie sehen
auf den Blutacker, doch ihre Seele weigert sich, diese Bilder des
beispiellosen Grauens aufzunehmen. Menschen der gleichen Art mit
ähnlichen Gesichtszügen, meistens Bauern, die sie seit Wochen
gastfrei aufgenommen haben in ihren Quartieren, liegen da tot vor
ihnen. Die meisten
von ihnen sind entstellt, die Hände und Wangen, Stirn und Kiefer
zerfetzt, Hals und Brust blutüberströmt; die meisten von ihnen
nach unglaublichen Mißhandlungen durch Genickschuß getötet.
Ein 19jähriges dunkelhaariges Mädchen
— in ihrer ausgeraubten, aus Stroh geflochtenen Tasche steckte die
zerknitterte Kennkarte — Grete Waldowski aus dem Kreise Darkehmen
ist offenbar mit
brutalster Gewalt genotzüchtigt und dann ermordet worden.
Ihr zur Seite liegt ein sechs Monate
alter Säugling in blauer Wollkleidung,
das Köpfchen durch
einen Pistolenschuß blutig entstellt. — Die fahle
Oktobersonne leuchtet bleich und anklagend über den grauen
Blutterror an der Angerapp. Grau und verarbeitet sind die Hände
der von den Sowjets
hingemordeten Männer und Frauen. Sie haben unter
unsäglicher Anspannung für ihre Heimat, für ihr Volk die Ernte
eingebracht, die Äcker bestellt. Viele von ihnen sind dann noch
Tag für Tag zum Schippen angetreten. Erdgrau und rissig sind ihre
verarbeiteten und nun von Blut überströmten Hände, in ihrer
letzten wie hilflos greifenden Gebärde verkrampft an ihren
Leibern liegend. Tränenlos starr stehen die deutschen Soldaten
vor ihnen, Männer jener Fallschirmjägerdivision, die den Ort
Nemmersdorf vor kurzem wiedererobert haben. Aus ihrem Blick
spricht der Wille, nun noch härter und schonungsloser gegen die
Sowjets zu kämpfen. — Nemmersdorf, die kleine freundliche
Ortschaft, 10 Kilometer südöstlich von Gumbinnen gelegen,
ist nach zwei Tagen
einer blutigen bolschewistischen Herrschaft ein Dorf des Todes,
ein Dorf des Schweigens geworden. Kein Bewohner des Ortes
ist zu sehen. Wer vor den Mördern nicht flüchten konnte, liegt
tot in den Häusern, am Straßenrand, auf den Äckern oder in den
Schluchten der Angerapp. Zaghaft kommen einzelne Bewohner aus den
Nachbardörfern, in denen die Sowjets ebenfalls schlimm gehaust
haben. Mit bleichen, verstörten Gesichtern erzählten sie
stockend, was sie in den vergangenen schrecklichen Tagen erlebt
haben. Sie wagen die Toten von Nemmersdorf, von denen sie viele
gekannt haben, nicht anzusehen. Ein 23jähriges Mädchen, Charlotte
W., aus dem Nachbarort erzählt, was sie und ihre Eltern am 21. und
22. erlebt haben:
Am 21. Oktober, es war Sonnabend und
sehr neblig, verließen wir den Hof. Wir hatten gehört, daß die
Bolschewisten kämen. Als wir 100 Meter vom Hof weg waren, kamen
Russen, schössen und riefen: ,Stoi'!
Sie rissen meinem Vater die Taschenuhr
weg, nahmen ihm das Taschenmesser
und die Tabakspfeife. Wir wurden in unserer Wohnstube
eingesperrt. Als wir auf den Hof kamen, schossen die Sowjets
wieder. Meine Mutter wurde durch einen
Streifschuß an der Schulter verwundet. Nach einer
Viertelstunde brachten andere Bolschewisten den Altsitzer Karl
Schütz aus der Nachbarschaft, einen alten Mann von 76 Jahren, er
war am Arm verwundet und blutete stark. Sie haben den Altsitzer
dann wieder weggebracht, und wir mußten zurück in unsere
Wohnstube. Die Sowjets hatten inzwischen
alle Schränke durchwühlt, Lampen und Fenster zerschlagen.
Sie saßen am Tisch, und wir mußten ihnen Fleisch bringen.
Sie verlangten immer wieder Schnaps.
Während wir in der Stube waren, haben sie unsere Waren
durchwühlt und sich herausgenommen, was sie brauchen konnten. Am
Nachmittag kam ein Lastauto. Es hatte vorn ein Geschütz drauf. Die
Sowjets ließen durch einen polnischen Landarbeiter sagen, das
Fräulein solle herauskommen, sie hätten ein paar Fragen zu
stellen. Ich mußte mit dem Auto zum Nachbargehöft des Altsitzers
mitfahren. Der alte Mann lag in seinem Hausflur.
Die Bolschewisten hatten ihn erschossen.
Da wollte der eine Russe, wahrscheinlich ein Offizier,
irgendetwas von mir. Ich verstand nicht, was er meinte. Er griff
nach seiner Pistole. Dann machte er meinen Mantel auf und deutete
durch Zeichen an, was er wollte. Er war mit mir allein im Zimmer.
Er vergewaltigte mich. Dann ging er aus
dem Zimmer, und der zweite Offizier, der mitgefahren war, kam
herein. Er tat dasselbe. Dann fuhren beide los."
...Auf einer kleinen Anhöhe liegt ein halbzerstörtes Gehöft, das
Vieh ist verendet, die
Bauern sind ermordet. In der Schlucht
liegen Frauen
vergewaltigt und ermordet neben ihren hingemordeten Kindern.
Auch eine
schwangere Frau haben die Bolschewisten geschändet und dann
umgebracht. — Das sind nicht einzelne Taten einer
sadistischen Horde —
das ist systematischer Massenmord, wie ihn nur die Sowjets
kennen. Sie denken nicht daran, ein Tarnprogramm der
Schonung deutscher Zivilisten zu demonstrieren.
Nein, sie führen die Befehle des Juden
Ehrenburg und des Befehlshabers der 33. bolschewistischen Armee
durch! Sie töten wahllos deutsche Menschen, schänden
deutsche Frauen, wo sie sie finden. — Die Schreckenstage von
Nemmersdorf wird der deutsche Soldat niemals vergessen...Die
bestialische Bluttat von Nemmersdorf wird den Bolschewisten teuer
zu stehen kommen. — Lebend an die Wand genagelt. — Gerichtsärzte
und Sanitätsoffiziere haben am 25. und 26. Oktober in den
befreiten Orten Ostpreußens an Ort und Stelle ihre Untersuchungen
durchgeführt und sämtliche Einzelheiten in Protokollen und
Bilddokumenten festgehalten.
Hierbei konnte folgende Feststellung über die bestialischen Greuel der Sowjethorden getroffen werden: In der bereits genannten
Ortschaft Nemmersdorf, die 12 Kilometer westlich Gumbinnen liegt,
wurden insgesamt 26 Leichen
aufgefuden, darunter 13
Frauen, 9 Männer und
4 Kinder.
Bei 24 Ermordeten ergab die
Leichenschau, daß der Tod durch Nahschuß, zumeist in den Kopf,
eintrat. In einem Fall wurden Stichwunden festgestellt und
in einem weiteren Fall Kopfverletzungen, die darauf schließen
lassen, daß der Mord
mit irgend einem scharfen Gegenstand auf besonders bestialische
Weise ausgeführt wurde. Bei den Frauenleichen konnten die
Gerichtsärzte in mehreren Fällen bestätigen,
daß ein Notzuchtverbrechen der
Bolschewisten in der gemeinsten Weise vorgenommen worden war.
— An einer Straße bei Nemmersdorf wurden
13 weitere Leichen gefunden,
darunter vier Frauen und sechs Kinder
sowie drei Männer. Hierbei handelte es sich um die
Flüchtlinge, deren Treck durch einen Vorstoß der Bolschewisten Auch sie waren, wie die Untersuchungen
ergaben, aus nächster
Nähe niedergeschossen worden und bei drei Frauen konnten
einwandfrei die Anzeichen einer Vergewaltigung festgestellt
werden. — In Tutteln, einem Ort, der drei Kilometer östlich
von Nemmersdorf liegt, wurden insgesamt sieben Leichen, darunter
vier Frauen und drei Kinder, gefunden.
Auch sie waren
sämtlich durch Nahschüsse ermordet. — Ein besonders
grausiges Bild ergab die Besichtigung in Alt-Wusterwitz, das 10
Kilometer südlich von Gumbinnen liegt.
Hier fanden sich
insgesamt 15 Leichen, größtenteils in verkohltem Zustande.
Ein junges Mädchen war, wie die
ärztlichen Untersuchungen ergaben,
durch einen Schuß aus
nächster Entfernung in die linke Augenhöhle getötet. In
einem Stallraum konnten die Leichen
eines alten Mannes und einer alten Frau geborgen werden.
Die Leiche des Mannes wies
Durchstoßmerkmale an beiden Handflächen auf, die in Verbindung
mit den Blutspuren und der Armstellung dieses Mannes deutlich
erkennen ließen, daß er lebend an eine Wand genagelt worden sein
muß. Eine ältere schwer verwundete Frau, die einzige
Überlebende aus diesem Bereich, die inzwischen in ein Lazarett
eingeliefert worden ist, hat dieses furchtbare Verbrechen
durch ihre Aussage bestätigt.

besonders für noch
lebende Ostpreußen ein erschreckender Anblick: die Kirchenruine in
Rudau
Über Verbrechen auf dem Schroedershof berichtet Frau Grimm, die
Ehefrau des ermordeten Landwirts Johannes Grimm: „Es war am 20.
10. 1944, ungefähr um 7 Uhr morgens, als sich mein Ehemann,
Hauptmann a. D. und Landwirt Johannes Grimm, geboren am 14. Juni
1907, meine Tochter Sabine, mein Sohn Joachim und meine
Schwiegermutter Maria Grimm, meine Mutter Maria Schroeders und
zehn polnische Arbeiter, sechs polnische Frauen und deren Kinder
von unserem Hof, dem Schroeders-Hof bei Nemmersdorf, mit den
beladenen Flüchtlingswagen in Bewegung gesetzt hatten. In diesem
Augenblick erschienen plötzlich aus der Richtung Berkeln und an
der Mühle eine Menge russischer Soldaten, die wir im Nebel nicht
gesehen hatten. Sie halten uns mit vorgehaltenen Gewehren an und
zwingen uns, von den Wagen abzusteigen. Der erste Wagen, ein
geschlossener Spazierwagen, kann, obwohl er beschossen wird, im
Neben noch entkommen. In diesem befinden sich Mutter,
Schwiegermutter und die beiden Kinder. Die Russen beschimpfen uns.
Sie wollen die Deutschen ausrotten, und nachdem sie den Männern
die Uhren fortgenommen haben, umringen sie meinen Ehemann,
nehmen ihn einige Schritte mit, und ehe ich den Vorgang bemerken
kann, ist er durch
einen Schuß in die Schläfe getötet worden. Einige Polen,
welche aus Warschau stammen, wollen sie auch noch erschießen,
lassen dann aber doch ab. Nun werden die Wagen und alle Gebäude
durchsucht und, so weit es geht, alle
Dinge vernichtet. Während dieser Zeit ziehen mir die Polen
schlechte Sachen an, binden mir ein Tuch um und machen mich
unkenntlich. Sie nennen mir einen polnischen Ort, geben mir einen
polnischen Namen. Ich solle kein Wort Deutsch sprechen. Zum Glück
beherrsche ich einen Teil der polnischen Sprache. Sie halten mich
außerdem im Hintergrund. Ringsum werden wir von Russen bewacht,
damit wir nicht fliehen können. Wir sind ins Leutehaus gegangen.
Es dauert nicht lange, da kommen mehrere Russen zu uns und fragen,
ob wir Deutsche sind. Doch die Polen verneinen diese Frage, obwohl
die Russen ihnen mit dem Tode drohen,
wenn sie Deutsche versteckt halten. Ein Russe beobachtet
mich eine Weile, ohne etwas zu sprechen, wird jedoch abgelenkt, da
die anderen russischen Soldaten weiter nach Nemmersdorf stürmen.
In den nächsten zwei Tagen gehen die Russen hin und her, ohne sich
um uns zu kümmern, da wir uns im Leutehaus hinter einer
beschädigten Mauer befinden und die Russen hier keine Menschen
vermuten. Nach zwei Tagen sehe ich einen deutschen Soldaten. Er
will mir zu gegebener Zeit zur Flucht verhelfen. Am folgenden Tage
erscheinen weitere deutsche Soldaten, gerade, als ich mit den
Polen in unserem Park meinen Ehemann beerdigt hatte. Sie raten mir
zur sofortigen Flucht, da der Russe in
Nemmersdorf alle Menschen getötet habe und wohl auch bald wieder
bis hierher kommen wird. Trotz großer Fliegertätigkeit
sind wir in Abständen mit mehreren Wagen den Feldweg nach
Kieselkehmen bis nach Sodehnen und später nach Danzig gekommen."
In dem Bericht eines deutschen Landsers, der nach Nemmersdorf
gekommen war, heißt es: »Als dann — nach den Greueln in
Nemmersdorf — noch eine überrumpelte Feldwache gefunden wurde,
deren Männern man die Gurgel durchgeschnitten hatte, ist in
keinem von uns das Gefühl des Abscheus und der Rache mehr zu
unterdrücken. In diesen Stunden wäre wohl auch bedenkenlos jeder
Feind mit erhobenen Händen niedergemacht worden. In jenen Tagen
schreibe ich einen Brief nach Hause, daß es unverantwortlich sei,
einem russischen Soldaten Gnade zu gewähren. Doch als wir am
nächsten Tage zwei schwerverwundete russische Soldaten auf dem
Felde finden, schlagen wir sie dennoch
nicht tot... Die Kameraden, denen diese beiden Russen mit
fieberglänzenden Augen entgegensehen, sind vielleicht nicht einmal
gläubige Christen, aber sie überführen die Schwerverwundeten in
das nächste Lazarett. Vielleicht sind es Russen, die an den
Greueln von Nemmersdorf beteiligt gewesen sind.
Aber sie sind hilflos und verwundet.
An ihnen gilt es, eine menschliche und
selbstverständliche Pflicht zu erfüllen."
Einen wichtigen Augenzeugenbericht über die Vorgänge in
Nemmersdorf liefert Frau Marianne Stumpenhorst aus Teichhof. Der
Bericht befindet sich im Bundesarchiv in Koblenz und es heißt
darin: »Am 20. Oktober 1944 morgens 5 Uhr, begann unsere Flucht
aus Teichhof, Kr. Gumbinnen (Gemeinde Tutteln). Die Straße
Gumbinnen—Angerapp war von Militärfahrzeugen und
Flüchtlingstrecks dermaßen verstopft, daß an ein Vorwärtskommen
nicht zu denken war. Am Galgenberg, dicht vor der Nemmersdorfer
Angerappbrücke, stockte der Verkehr vollkommen, und wir konnten
mit dem Treck nicht mehr weiter. Viele ließen ihre Habe im Stich
und machten sich zu Fuß auf den Weg in Richtung Nemmersdorf. Zu
unserem Entsetzen tauchten an den Hängen der Angerapp an diesem
nebligen Oktobermorgen die ersten Russen auf. Sie machten
zunächst einen abwartenden Eindruck, pirschten sich dann aber
näher, und ehe wir uns versahen, standen sie vor uns.
Sie nahmen den Flüchtlingen im
Vorbeigehen Uhren und Schmuck ab. Plötzlich tauchten
russische Panzer auf mit den ersten deutschen Gefangenen.
An ein Weiterfahren war nicht mehr zu denken; die Polen, die
unsere Wagen gefahren hatten, waren sofort zu den Russen
übergelaufen. Meine Mutter und ich waren zunächst unschlüssig,
was wir nun beginnen sollten, aber am Nachmittag machten wir uns
zu Fuß auf den Heimweg.An unserem Hof standen schon russische
Kommissare, und ein sicheres Gefühl warnte uns, auf den Hof zu
gehen. Gleich hinter unserem Garten an der Landstraße nach
Tutteln standen viele Russen und durchbohrten mit ihren Waffen die
Treckwagen. Als wir uns in unserer Angst etwas näher umzuschauen
wagten, boten sich uns die ersten Schreckensbilder.
Zu beiden Seiten der Brücke sah man an
den Abhängen vergewaltigte Frauen, die ermordet waren oder
blutüberströmt noch in den letzten Zuckungen lagen. Wir
wurden wieder nach Schmuck und Wertsachen durchsucht, und es mußte
sehr schnell gehen, sonst drohte man uns
zu erhängen. Im nächsten Dorf, Tutteln, trafen wir 2 Frauen
und einen alten Mann, die uns anboten, bei ihnen einstweilen zu
bleiben. In Tutteln waren zunächst keine Russen, und so blieb uns
noch Zeit, schnell alte Waffenbestände unserer Soldaten zu
verstecken. Am nächsten Morgen erschienen die Russen mit
vorgehaltenen Messern und Gewehren und fragten nach Waffen,
Schnaps und Kindern, durchsuchten die Häuser, aber taten uns
nichts. Gegen Abend setzten starke Kampfhandlungen ein, und die
Russen holten uns in einen Bunker, der schon mit Russen
vollkommen überfüllt war. Als es nach Stunden ruhiger wurde,
holten mich zwei Russen in einen anderen Bunker, in dem sich nur
russische Offiziere befanden. Ich wurde höflich behandelt, mußte
aber viele Fragen beantworten, vor allem wer der Besitzer unseres
Hofes war. Ich gab mich als fremde Flüchtlingsfrau aus, die die
Gegend nicht näher kenne, bezweifle aber, daß sie es mir geglaubt
haben. Sie ließen sich Bilder über die Deutsche Wehrmacht und
unsere Lebensmittelkarten erklären, die sie gefunden hatten. Ihr
größtes Interesse galt meiner Schulbildung, ob ich eine
Universität besucht hätte und Fremdsprachen spreche. Ich hatte
den Eindruck, daß sie mich nach Rußland als Dolmetscherin
mitnehmen wollten. Nach diesem langen Verhör wurde ich wieder in
unseren Bunker gebracht, in dem wir die weitere Nacht verbrachten.
Gegen Morgen holte mich ein Russe heraus und trieb mich in ein
beschädigtes Bauernhaus. Ich hatte furchtbare Angst, ahnte ich
doch, was mir bevorstand. Ich redete ihm gut zu, und ich weiß
nicht, woran es lag, daß ich auch hier von dem Entsetzlichen
verschont blieb. Als ich mich im Morgengrauen zurücktastete,
hatten wieder Kampfhandlungen eingesetzt. In unserem Bunker
befanden sich nur noch meine Mutter und die anderen Deutschen, die
Russen waren abgezogen. Die Einschläge wurden nun immer stärker,
und wir rechneten jeden Moment damit, daß der Bunker über uns
zusammenstürzen würde. Nach Stunden wurde es dann stiller, doch
wir wagten uns nicht heraus. Plötzlich ertönte über uns eine
deutsche Stimme: "Heraus!", und ich
werde dieses Gefühl nie vergessen, als wir deutsche Soldaten vor
uns sahen. Wir fielen uns in die Arme und lachten und weinten vor
Freude. Es war unseren Soldaten noch einmal gelungen, die
Russen zu vertreiben, und sie brachten uns zunächst nach Gut
Kieselheim (Kieselkehmen), wo wir uns einige Tage aufhielten. Von
da aus kamen wir in die umliegenden Dörfer und auch nach
Nemmersdorf, wo sich inzwischen die furchtbaren Greueltaten
zugetragen hatten. Man hatte alle Toten auf den Acker neben den
Friedhof gelegt, und Mitglieder der Partei verlangten von mir, daß
ich die Toten identifizieren sollte. Ich erwartete damals mein
erstes Kind und lehnte es aus diesem Grunde energisch ab. Auch in
Wiekmünde (Norgallen) war eine Mordtruppe durchgezogen, und in
einem sehr zerstörten Bauernhaus
lag der Besitzer mit
durchschnittener Kehle im Bett. Die wenigen Bewohner des
Dorfes, die nicht geflohen waren, waren ebenfalls ermordet. Wir
hielten uns ungefähr eine Woche in der Umgebung von Nemmersdorf
auf, auch auf unserem Teichhof durften wir noch 2 Tage
zubringen. Die Kampfhandlungen nahmen wieder zu, und die
Soldaten sorgten dafür, daß wir allmählich unseren
Evakuierungskreis Osterode erreichten."
|
|
Eine Schilderung der Vorgänge von Nemmersdorf in militärischer
Hinsicht gibt Tb. Rammstedt in den
Herzberger
Nachrichten vom 11. Oktober 1954: unter dem Titel:
„Der Schrecken von
Nemmersdorf": „Fünf russische Armeen mit etwa 40
Infanteriedivisionen und zahlreichen motorisierten und
Panzer-Verbänden, mit etwa 1500 Panzern griffen die 4. deutsche
Armee an, der im Verlauf dieser ersten Abwehrschlacht um
Ostpreußen unter General Hoßbach nur 6
Infanterie-, 2 Panzer-, 1 Panzer-Grenadier-, 6 neu aufgestellte
Volksgrenadier-Divisionen und 1 Sicherungsdivision, 1
Grenadier-Brigade, zwei Kavallerie-Brigaden und ein kleiner
Polizeiverband zur Verfügung standen. Die sowjetische
Heeresleitung wollte den frontalen Durchbruch in Richtung
Königsberg. Ihr Hauptstoß richtete sich deshalb entlang der großen
Straße, die von Wilkowischken über Gumbinnen nach Insterburg
führt.

Goldap 1943
Etwas später trat die Rote Armee auch südlich der Rominter Heide
zum Angriff an und nahm Goldap. Die Sowjets setzten starke
Panzer-, Artillerie-und Fliegerverbände ein. Erbittert wehrten
sich die deutschen Truppen, wichen schrittweise zurück, führten
verzweifelte Gegenangriffe,
konnten schließlich
den Feind im Gegenangriff bis hinter die Rominte
zurückzuschlagen. Am 28. Oktober ließ die Schlacht
nördlich der Rominter Heide nach,
während Goldap erst am 5. November befreit wurde. Zwei Tage
dauerte allein der Häuserkampf in dieser schwergeprüften
ostpreußischen Stadt. Die Front der 4.
Armee war nach Abschluß der Kämpfe auf 150 km Breite und etwa 40
km Tiefe zurückgedrückt worden ...
Als am Montag, dem 16.Oktober, die Straße Angerapp—Insterburg und
damit der Weg nach Königsberg bedroht wurde, da standen kaum
Feldtruppen zur Verfügung.
Interburger Rekruten und Offiziersanwärter, die noch in der
Ausbildung waren, wurden in die Bresche zwischen Teilen der
Panzergenadier-Division "Hermann Göring" und einer
Infanteriedivision geworfen. Die Verbindung war kilometerweit
unterbrochen. Und der
Russe hatte die besten Stellungen in jenen Gräben bezogen, die
deutsche Festungspioniere und die ostpreußische Bevölkerung zum
Schutz ihrer Heimat in den Monaten vorher angelegt hatten.
Dünn war der Sicherungsgürtel, der vor die Rote 11. Gardedivision
gelegt wurde. Aber
die Kampfkraft, auch der Rekruten, war einmalig, da die meisten
ostpreußische Söhne waren und sich für diesen Einsatz freiwillig
gemeldet hatten; denn sie wußten bereits aus den
Schreckensmeldungen der Flüchtlinge, daß hier nicht nur Haus und
Hof verteidigt wurden, sondern auch Sicherheit und Leben der
Angehörigen.
Hart war der Kampf um Nemmersdorf. Das eine
Panzergrenadierbataillon hatte z. B.
über die Hälfte aller Offiziere durch Tod oder Verwundung
verloren. Aber schlimmer als dieser Kampf war das, was man
in den eroberten Orten erblickte.
Von Mund zu Mund
ging bei den Soldaten und Zivilisten die Schreckenskunde von
Nemmersdorf. Diese Bestialitäten der Sowjets trieben die
Soldaten zum verzweifelten Widerstand an. Und die
Zivilbevölkerung befiel das Grauen und die Verzweiflung.
Bilder von
Nemmersdorf wurden kaum veröffentlicht; das wagte Hitler dem Volke
nicht zu zeigen.
"Was ihr auch alles
in den Zeitungen über Nemmersdorf lest, die Wahrheit ist noch
viel schlimmer", so schrieb es damals ein Soldat von
Nemmersdorf nach Hause.
In den zurückeroberten
Orten lag das Vieh sinnlos hingeschlachtet. Es war ein trostloser
Anblick! Aller Hausrat zerschlagen, die Wohnungen verwüstet und
besudelt, und die Leichen der vielen Zivilisten oft grausam
entstellt. Als Rittmeister K. mit seinen Rekruten zur
gesprengten Brücke an der Angerapp vordrang, da trafen sie als
erstes auf eine erschossene Frau, der
die Kleider vom Leibe gerissen waren.
Und daneben lag ihr
etwa zwei Jahre altes Kind, durch Kopfschuß getötet. In
einem Raum der wenigen noch unzerstörten Häuser
lagen drei Ermordete.
Der mit Blut besudelte Fußboden des Zimmers zeigte deutlich, wie
qualvoll der Tod gewesen war. Es gab noch schrecklichere Bilder
... Trotz der Gefahren, die sich in diesen Oktobertagen für
Ostpreußen gezeigt hatten, wurden die Truppen, die zur
Verteidigung dieser östlichsten Provinz bereitstanden,
nicht wesentlich
verstärkt. Und
Gauleiter Koch verbot sogar jede Vorbereitung für eine
Evakuierung, weil er "solches Flüchten" als "Verzweifeln am
deutschen Endsieg" ansah ...
Den westlichen Verbündeten Moskaus blieb es damals wohl noch
unbekannt, daß die Sowjets wahllos wüteten und in Nemmersdorf
auch 40 französische
Gefangene nicht befreit, sondern erschlagen hatten.
Associated Press
meldete am 26. 10. 1944:
„Seit Stalingrad sind an der Ostfront nicht mehr so wahnsinnig
erbitterte Kämpfe erfolgt, wie jetzt in Ostpreußen. Die härtesten
Kämpfe finden im Raum von Goldap und südlich von Gumbinnen statt."
— Dem Bericht sind 2 Fotoabbildungen beigegeben: Nach dem
deutschen Gegenangriff: Links ein abgeschossener sowjetischer
Panzer, rechts ein erobertes 15-cm-Geschütz. Die Originale dieser
Abbildungen sind sonst nirgendwo mehr aufzufinden.
|
|
Bericht von Fritz Feller aus
Kaimeiswerder über die Nemmersdorfer Verbrechen
„Ende September 1944 hatte die Landesbauernschaft mit den
Kreisbauernführern der einzelnen Kreise Ostpreußens entgegen dem
ausdrücklichen Befehl des Gauleiters
einen Plan für die Räumung der östlichsten Kreise ausgearbeitet.
Nach diesem Plan hatte der Kreis Gumbinnen den Kreis Gerdauen ab
Aufnahmekreis zugewiesen bekommen. In meiner damaligen Eigenschaft
als Kreisbauernführer hatte ich mit den einzelnen
Bezirksbauernführern einen Räumungsplan mit den Abfahrtstraßen
ausgearbeitet.

die Landkreise
Ostpreußens
Eine Vorbereitung der Räumung in Zusammenarbeit mit der
Kreisleitung war nicht möglich, da diese strikten Befehl hatte,
jede Vorarbeit einer Räumung
zu verbieten.
Als ich am 20. Oktober 1944 früh mit meinem Pkw nach
Groß-Waltersdorf fahren wollte, standen an der Chaussee, etwa 3 km
von Groß-Waltersdorf, Volkssturmmänner hinter Chausseebäumen
verteilt mit je 5
Patronen in der Tasche. Ein Kradfahrer, den ich anhielt und
der aus Groß-Waltersdorf herauskam, sagte mir,
daß in etwa 500 m
Entfernung russische Panzer anrollten. Ich habe die Panzer
selbst gesehen und fuhr auf dem schnellsten Wege nach Gumbinnen
zum Regierungspräsidenten. Ich traf ihn in seinem Dienstzimmer an,
erklärte ihm die Lage und verlangte von ihm die sofortige Räumung
der Zivilbevölkerung des Kreises Gumbinnen.
Ich bekam von ihm die mündliche
Erlaubnis, sie selbst durchzuführen. Sämtliche
Telefonverbindungen waren durch den kurz vorher erfolgten
Bombenangriff zerstört worden. Nun fuhr ich zur
Kreisbauernschaft, setzte alle greifbaren Motorfahrzeuge in
Bewegung, um die einzelnen Bezirksbauernschaften zu
benachrichtigen und gab folgenden Befehl heraus:
»Der Kreis Gumbinnen marschiert am 21.
Oktober 1944, früh 6 Uhr, auf den befohlenen Wegen nach dem
Kreise Gerdauen." Ich selbst benachrichtigte die
Bezirksbauernführer in Branden (Ischdaggen), Kanthausen
(Jüdischen) und Nemmersdorf. Gegen Abend kam ich auf meinem Hof
an und ordnete die Vorbereitungen für den Abmarsch für den
nächsten Morgen an. In der kommenden Nacht, die sehr dunkel und
neblig war, hörte ich laufend Artillerie- und
Maschinengewehrfeuer aus Richtung Schulzenwalde. Der
Flüchtlingsstrom von Fuhrwerken und Fußgängern rollte die ganze
Nacht aus den Kreisen Goldap und Stallupönen (Ebenrode) in
Richtung Westen."

Sodehnen heute...es
verschlägt einen die Sprache wie dieses alte deutsche Kulturland
in der russisch annektierten Zone Ostpreußens
heruntergewirtschaftet wurde
"Früh um 4 Uhr war es mir möglich, meinen Treck auf der
vorgesehenen Straße Richtung Sodehnen—Gerdauen in Marsch zu
setzen. Da ich jetzt auf den Abmarsch keinen Einfluß mehr hatte,
fuhr ich selbst nach Gerdauen vor, um mit dem dortigen
Kreisbauernführer die Einweisung der einzelnen anrollenden
Gemeinden vorzubereiten. Dieses wickelte sich verhältnismäßig
reibungslos ab, so daß am 21. Oktober abends der größte Teil der
Bevölkerung des Kreises dort eingewiesen war. Als ich durch
Gerüchte erfuhr, daß die Russen bei Nemmersdorf zurückgeschlagen
sein sollten, fuhr ich am 22. Oktober über Insterburg, Kanthausen
(Judtschen) nach Nemmersdorf.
Hier hatte das
Panzerkorps "Hermann Göring" zusammen mit der Ersatzschwadron des
Reiterregiments 1 aus Insterburg, die Russen über Nemmersdorf in
Richtung Schulzenwalde in schweren Kämpfen zurückgeschlagen.
Im Dorf Nemmersdorf selbst lagen 2 Volkssturm-Bataillone —so weit
ich mich erinnern kann, eins aus Königsberg und eins aus
Gumbinnen. — Von diesen Volkssturmmännern und einzelnen Bewohnern
aus Nemmersdorf und Umgebung erfuhr ich die näheren Umstände des
Kampfes zwischen den Truppen und über die Greueltaten, die in
Nemmersdorf und Umgebung geschehen waren. Nach ihren
zuverlässigen Angaben kam russische Infanterie auf dem Wege
Schulzenwalde—Wiekmünde (Norgallen), überschritt mit Teilen die
Angerapp bei Reckein in westlicher Richtung, wo sie einen
unzerstörten Steg fand, den sich eine Batterie, die bei Rotenkamp
stand, gebaut hatte. Diese Teile trafen in den frühen
Morgenstunden die abmarschierenden Bauern in Reckein und
Schroedershof. Die
Bauern wurden vom Wagen gerissen und sämtlich erschossen.
Darunter befand sich auch der Bürgermeister von Nemmersdorf, Herr
Grimm. Die Erschießungen fanden vor den Augen der Angehörigen
statt. In Reckein sind auch
französische Kriegsgefangene erschossen worden. Ein
anderer Teil Russen stieß von der Kiesstraße Wiekmünde (Norgallen)—Nemmersdorf
auf die Chaussee, die von Gumbinnen kommt
und schoß dort
blindlings in den Flüchtlingsstrom hinein. In Nemmersdorf
selbst hatte ein Teil der Bevölkerung sich nicht rechtzeitig vor
den Russen in Sicherheit bringen können und versteckte sich in
Häusern, Schuppen und Chausseedurchlässen. Von diesen
zurückgebliebenen Zivilpersonen und den Flüchtlingen, die aus
anderen Gegenden stammten, aber gerade durch Nemmersdorf treckten,
ist der größte Teil
umgebracht worden,
z. B. der alte
Viehhändler Brosius, der Fleischermeister Kaminski mit seiner Frau
und seiner Schwiegertochter mit zwei kleinen Kindern, Fräulein
Aschmoneit, die gelähmt auf ihrem Sofa saß, der Invalidenrentner
Wagner mit seiner Frau. Die Gemeindeschwester, eine junge
Frau, wurde im Straßengraben
niedergeschossen, aber nicht getötet.
Ihr Mann gehörte zufällig zu der
befreienden Truppe. Er fand sie selbst dort und hat sie
noch retten können. — Dies sind die Namen der Toten, die mir noch
in Erinnerung geblieben sind. Der größte Teil der Toten bestand
aus Flüchtlingen anderer Gemeinden. Ich habe sie selbst gesehen.
Sie sind in Nemmersdorf durch den
Volkssturm beigesetzt worden.
In dem Keller unter dem Getreidespeicher des Gutshofs in
Nemmersdorf wurden später noch zwei verstümmelte Leichen von
jungen Mädchen gefunden, die nicht zu Nemmersdorf gehörten.
Die Gesichter der im Kampf gefallenen Russen trugen restlos
asiatische Gesichtszüge. Der Bericht des Kriegsberichterstatters,
der seinerzeit durch den Wehrmachtsbericht, Presse und Rundfunk
ging, war
wahrheitsgemäß und objektiv gehalten. An dem
Befreiungskampf um Nemmersdorf waren viele junge Söhne des Kreises
Gumbinnen beteiligt."
Nußbaum, den 12. Januar
1953. Fritz
Feller." Nach der Besetzung Ostrpreußens durch die Russen
richteten diese
in Nemmersdorf eine Kolchose ein. Hier mußte auch Frau
Irretier aus Gumbinnen (Goldaper Tor) arbeiten, die nach ihrer
Rückkehr folgendes berichtete: „Meine Kinder und ich waren mit
vielen anderen Einwohnern aus Gumbinnen nach Pommern evakuiert.
Hier blieben wir bis nach dem Einmarsch der Russen unbehelligt.
Nachdem unter russischer Verwaltung ein neuer Bürgermeister
gewählt war, bestimmte er, daß die Ostpreußen wieder in ihre
Heimat zurückbefördert wurden. Was uns unter anderen Umständen
mit der größten Freude erfüllt hätte, brachte uns jetzt ein
bedrückendes Gefühl. Was würde mit uns in der Heimat geschehen,
war die bange Frage, die wir uns immer wieder stellten. Einige
Transporte waren schon zusammengestellt und auch abgefahren; ich
hatte immer noch gezögert und die Abfahrt aufschieben können. Dann
kam jedoch der letzte Transport, und ich mußte mit. Die Fahrt
dehnte sich endlos; wir waren wohl 14 Tage und noch länger
unterwegs. Für meine drei Kinder hatte ich mir Zwieback und
dergl. mitgenommen, ebenso für mich ausreichende Verpflegung, so
daß wir gedachten, wenigstens in dieser Beziehung geschützt zu
sein. Die russische Begleitmannschaft nahm uns jedoch alles weg,
so daß wir am Schluß hungerten und entkräftet in Gumbinnen
ankamen. Hier wurden wir in einer Unterkunft in der Brunnenstraße
zusammengepfercht. Wir hatten Hunger; man kochte uns Grütze,
die in einer Wanne ausgegossen wurde.
Wir hatten keine Teller, weder Messer und Gabel noch Löffel. Es
gab auch kein Wasser. In dem Raum standen schmutzige Gläser herum,
die sicher schon von anderen benutzt waren. Wenn wir nicht vor
Entkräftung umsinken wollten, waren wir gezwungen,
diese schmutzigen Gläser mit der Grütze
zu füllen und hinunterzuwürgen. Auch die Kinder mußten in
dieser Weise essen. Man fing nun an, uns zu verhören, und zwar
immer nachts. Vorerst wurde ständig gefragt, ob man selbst oder
der Mann bei der Partei war.
Wenn die Frauen es
ehrlich bejahten, wurden sie und die Kinder sofort ausgesondert.
Was mit ihnen geschah, wissen wir nicht. Wir haben sie nicht
wiedergesehen. Nach einigem Hin und Her wurden wir nach
Nemmersdorf gebracht und mußten auf der Kolchose arbeiten. Die
Arbeit war schwer, von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Das
Essen war sehr schlecht. Hier ist auch mein kleinster Junge an den
Folgen der schlechten Ernährung gestorben. Die Sterblichkeit war
überhaupt groß. Erst im Jahre 1948 wurden die Lebensbedingungen
etwas besser, blieben jedoch noch immer schlecht genug. Weitere
Kolchosen gab es noch in Stannaitschen und Brakupönen (Roßlinde).
Hier ist Frau Räder, geb. Krajewski, gestorben. Ihre beiden
Kinderchen wurden nach der Kolchose Nemmersdorf gebracht und hier
sind auch beide gestorben. Kurz bevor wir nach dem Westen kamen,
brachte man russische Zivilarbeiter nach Nemmersdorf. Wir, die wir
schon viel gesehen und erlebt hatten, was russische Kultur
betraf, waren doch noch verwundert über das, was aus dem inneren
Rußland zu uns
kam. Die Füße der
Leute waren mit Lumpen umwickelt, bei den Männern hingen die Haare
ungeschnitten und natürlich entsprechend verlaust über die
Schulter. Die Kleidung war auch entsprechend. Wir schauderten.
Zwar sahen wir auch abgerissen und elend aus, aber es trennte uns
doch noch eine große Kluft von dieser Ausrüstung. Dabei kamen sie
ja als freie Arbeiter aus ihrem siegreichen Vaterland, hatten also
die Möglichkeit, alles das mitzubringen, was ihnen gehörte. Als
für uns die Erlösungsstunde schlug, daß wir nach dem Westen
durften, freuten wir uns über die Maßen, der Fronarbeit entronnen
zu sein. Und nun sitzen wir hier im Westen. Wenn wir an die harte
Zeit in der Heimat zurückdenken, wir wollen sie nicht noch einmal
erleben. Aber — es
ist die Heimat. Das Bittere verwischt sich, es bleibt nur
immer das Andenken an das Zuhause. Und dort sind unsere Gedanken
bei Tag und bei Nacht."
|
|
|

Text zum Bild:
"During January and February of 1945, East Prussia was surrounded
by the Red Army and "evacuation" of surviving German began. Some
Germans who had fled tried to return to their homes to retrieve
their property or to try to find loved ones. They and the
remaining German population of East Prussia were expelled with
many people randomly deported as forced laborers to the Gulag. The
Red Army immediately began a course of annihilation, looting and
methodically erasing any trace of former German presence. Even the
history of the city has been rewritten to de-Germanize it.
Civilians of Königsburg flee from their burning city."
Text zu den Bildern:
Links: "Zum Weinen: Dieses Baby aus Nemmersdorf wurde von den
"Befreiern" durch einen Schuß in den Kopf "befreit".
Rechts: Ein von den Rotarmisten erschlagener Junge."
|
|
|
Der Verfasser dieses "Gedichtes" war ein ehemaliger Hauptmann der
Roten Armee namens Alexander Solschenziyn.
Seine Erlebnisse gabe er in hymnischen Zeilen mit dem Titel
"Ostpreussische Nächte"zu
Papier:
"Noch kein Brand, doch wüst, geplündert.
Durch die Wand gedämpft - ein Stöhnen:
Lebend finde ich noch die Mutter.
Waren's viel auf der Matratze? Kompanie? ein Zug?
Was macht es! Tochter - Kind noch, gleich getötet.
Alles schlicht nach der Parole:
Nichts vergessen !
Nichts verzieh´n! Blut für Blut!
Und Zahn für Zahn.
Wer noch Jungfrau, wird zum Weibe,
und die Weiber - Leichen bald.
Schon vernebelt, Augen blutig, bittet:
Töte mich, Soldat!"
|
|
Am schlimmsten war es, wenn die
russischen Tiefflieger kamen und auf uns schossen
von Zeitzeugin Ursula Adam,
Bielefeld
Quelle: Reuth, Deutsche auf der
Flucht
" Die Flucht aus Ostpreußen 1945, auch ich war elf Jahre alt und
musste aus Königsberg/Ostpreußen vor den Russen mit Mutter und
meinem kleinen Bruder fliehen. Die Soldaten haben nach dem Rückzug
Mutter mit Kindern mitgenommen, denn wir waren nach den beiden
Bombenangriffen von den Engländern auf Königsberg nach Schloss
Kirgis bei Tharau evakuiert worden.

Tharau in Ostpreußen
Unsere Soldaten hatten die Russen nochmals aus Dörfern
zurückgeschlagen, aber es war kein Aufhalten. So zogen sie sich
zurück und nahmen uns mit, dabei kamen wir in die Dörfer,
wo die Russen gewütet
hatten, es war grauenhaft, tote Kinder, zerstückelt, alles
niedergemetzelt.
Dann schlossen wir uns einem Wagen an und zogen über das
zugefrorene Haff zur Nehrung. Trecks um Trecks zogen los, eisige
Kälte, nichts zu essen, Mutter hatte eine Seite Speck mit, das hat
uns geholfen, am
schlimmsten war es, wenn die Tiefflieger kamen und auf uns
schossen. Die Wagen boten dann etwas Schutz, aber viele kamen um,
überall lagen Tote. Menschen und Pferde, dann wurde das
Fleisch der Tiere gegessen. Als wir vom Eis runter waren, gingen
wir auf der Nehrung Richtung Danzig weiter und immer die Angriffe
von den Tieffliegern.
Ab Danzig wurden wir in Viehwaggons Richtung Westen
transportiert, nur mit dem, was wir am Leib hatten, denn
inzwischen wurde unser weniges Gepäck (Tasche mit Papieren)
gestohlen. Ich war verlaust, die Füße erfroren, voller Angst, es
war die schlimmste Zeit meines Lebens, wer das nicht erlebt hat,
kann es nicht nachempfinden.
Ende Januar flüchteten wir, und am 13. März 1945 kamen wir in
Niedersachsen Immensen bei Lehrte, an. Am 25. März wurde ich zwölf
Jahre. Als die Engländer in Immensen einmarschierten, habe ich
mich auf dem Heuboden versteckt, aus Angst, und war danr
erstaunt, dass uns nichts getan wurde. Ja, das war meine Kindheit
und durch die Berichte kommt alles wieder hoch."
|
|
Französische Kriegsgefangene, die
gut behandelt wurden, setzten sich für die deutschen Frauen ein
von Renate Greiner, München
Quelle: Reuth, Deutsche auf der
Flucht
"Die Freundin meiner Mutter war eine Frau von Graz, Würzburgerin
wie meine Mutter, und das Schicksal ihrer Schwägerin, Frau von
Scherzer, Rittergutsbesitzerin aus Ostpreußen, hat mich schon als
10-jähriges Mädchen tief berührt. Frau von Scherzer floh mit ihrem
Mann, den Angestellten sowie den französischen Kriegsgefangenen,
die damals als so genannte Fremdarbeiter auf dem großen Gut
arbeiteten, vor den heranrückenden Russen.
Sie beluden 13 Pferdewagen mit dem Nötigsten und brachen nach
Westen bei bitterster Kälte auf.
Während der Flucht
wurde der Treck mehrmals von den Russen überrollt, doch die
stets gut behandelten französischen Kriegsgefangenen setzten sich
für die deutschen Frauen ein,
gaben sie als ihre eigenen aus, um sie so vor
Vergewaltigungen und Grausamkeiten zu schützen.
Nach unsäglichen Strapazen und Entbehrungen kamen sie endlich in
Dresden an. Aber ihre Sehnsucht
und Hoffnung, nach all den schrecklichen Erlebnissen in
Sicherheit zu sein, zerbarst in den
fürchterlichen Bombennächten. Der Pferdetreck
campierte mit vielen anderen Flüchtlingen in den Eibwiesen.
Pferde und Wagen
brannten lichterloh. Die Pferde waren nicht mehr zu
bändigen! Die schwer beladenen
Wagen überrollten alles, was sich ihnen in den Weg stellte.
Wie viele Flüchtlinge
bei diesem Bombenterror den Tod fanden, wird sich wohl
niemals feststellen lassen.
Der Mann von Frau von Scherzer erlitt während dieses Infernoseinen
Schlaganfall. Sie hatten alle Wagen verloren. Mit Mühe besorgte
Frau von Scherzer einen Leiterwagen. Auf dem zog sie ihren
gelähmten Mann den weiten Weg bis nach Ansbach zu ihrem Bruder.
Als nach unsäglicher Mühsal dieses Ziel erreicht war, verstarb
Herr von Scherzer. Seine letzten Worte waren:
„Ich habe so lange durchgehalten,
um dich, meine Liebe, in Sicherheit bei deinem Bruder zu wissen."
Das Ehepaar von Graz lebte in unserer Nachbarschaft, in
Obereichenbach bei Ansbach, in der sogenannten
„Offizierssiedlung",
die kurz nach Einmarsch der Amerikaner
beschlagnahmt wurde. Wir haben durch die Ausweisung
aus unserem Zuhause
das Ehepaar von Graz und Frau von Scherzer aus den Augen
verloren, aber das Schicksal dieser tapferen Frau habe ich bis
heute nicht verdrängen können."
|
|
Sie beschossen
unsere Straße mit Stalinorgeln
von Ruth Bosse, Bad Emstal-Riede
Quelle: Reuth, Deutsche auf der
Flucht
" Es war Anfang April 1945. Der Russe hatte die Stadt schon fast
eingeschlossen. Unsere Soldaten hatten noch die Straße nach Pillau freigekämpft. Es waren noch sehr viele Frauen und Kinder in
der Stadt. Am Freitagmorgen sollte ich etwas für meine Mutter
besorgen. Wir saßen im Luftschutzkeller bei einer Schwester von
Mutti mit ihren fünf Kindern und wir vier Kinder. Ich war fast 13
Jahre,
da fing der Russe an mit Stalinorgeln die Straße zu beschießen.

Die Sowjets greifen
Königsberg an ...
Gleichzeitig kamen die
Tiefflieger und bombardierten. Ich konnte nicht zurück und
versuchte, durch tote Soldaten und tote Pferde in die Innenstadt
zu meinem Vater zu kommen, der in einem Lazarett als Sanitäter
arbeitete.
Ich fand meinen Vater.
Es gingen den
ganzen Samstag schwere Bomben und
Phosphorangriffe auf die Stadt.
Sonntagmorgen, den 8. April 1945, fuhr noch ein Sanitätsbus mit
Ärzten, Schwestern und Sanitätern (mein Vater und ich) in größter
Hast aus der Stadt, der Russe hatte schon viele Stadtteile
eingenommen. Etwa um zehn Uhr waren wir auf dem Weg nach Pillau.
Um 13 Uhr hörten wir die Sondermeldung:
„Königsberg ist vom
Russen eingenommen."
Am Dienstag, dem 10. April 1945, sind mein Vater und ich aufs
Schiff nach Dänemark gegangen. In Kopenhagen wurde ich von meinem
Vater getrennt. Die Kinder kamen in eine Schule und später in
Heime.
Am 14. September 1946 bin ich in Dänemark konfirmiert worden,
ohne Wissen, ob meine Angehörigen noch am Leben sind. 1947 erfuhr
ich über das Rote Kreuz, dass mein Vater noch lebte und auch den
Aufenthaltsort. Meine Mutter und Geschwister sowie Tante mit
Kindern wurden 1948 aus Königsberg ausgewiesen. Die kämpfende
russische Truppe hatte Frauen und Kinder in Schulen eingesperrt.
Dadurch ist den eingesperrten Frauen viel Leid erspart geblieben.
Während die nachfolgende Truppe 24 Stunden mit der Bevölkerung
machen konnte, was sie wollte. Ich war 16 Jahre alt, als unsere
Familie wieder vereint war."
|
|
Auf den Straßen Königsbergs
verwesten die Leichen
von Günther Sitt, Hamburg
Quelle: Reuth, Deutsche auf der
Flucht
"Als heute 85-Jähriger habe ich nicht nur die Flucht aus
Königsberg miterlebt, sondern auch ab 1941 den gesamten
Russlandfeldzug bis zur Kapitulation 1945, mit anschließender
4-jähriger russischer Gefangenschaft.
... Nach einem Jahr Lazarett wurde ich als KV-bedingt nach
Königsberg in Ostpreußen versetzt, wo ich als Soldat, Ende 1944,
den Einfall der Russen auf deutsches Gebiet, die Einkesselung
Königsberg und die Flucht und Vertreibung der Bevölkerung bis zur
Halbinsel Heia, bei Danzig, miterlebte.
Das Leid, besonders der Frauen und Kinder, war unbeschreiblich, da
der Gauleiter, ein Vertrauter Hitlers, absichtlich verhindert
hatte, die Bevölkerung zur Flucht in den Westen aufzufordern.
Im Gegenteil: Die schöne Stadt Königsberg, die monatelang von den
Russen eingekesselt war, wurde zur Festung erklärt, obwohl 60 %
der einwohnenden Bevölkerung in der Stadt noch lebte. Das Sterben
einer eingekesselten deutschen Großstadt,
die nach
monatelangem Bombenterror aus der Luft und durch Bodenartillerie
bis auf die Grundmauern zerstört wurde, mit verstümmelten
Leichen, die auf den Straßen und Trümmern verwesten, werde ich nie
vergessen.
Ein erster Ausbruchsversuch der deutschen Wehrmacht
, der im Dorf Metgethen bei Königsberg endete,
machte mich zum
Augenzeugen von unvorstellbaren Gräueltaten, die an Frauen,
Kindern und Greisen begangen wurden. Bei einem zweiten
Ausbruchsversuch unter Oberstleutnant von Wangenheim von Juditten
aus, einem westlichen Stadtteil von Königsberg, erhielt ich den
Befehl, unnützes Gerät aus meinem Funkwagen zu entfernen,
um Frauen und Kinder mitzunehmen.
Dieser Ausbruchsversuch mit einer kleinen Kampftruppe gelang bis
Pillau am Frischen Haff. Eine junge Mutter mit Kind in meinem
Fahrzeug konnte somit gerettet werden.
Die
zurückgebliebenen Frauen erlitten durch Vergewaltigungen,
Verschleppung und qualvollen Tod ein grauenvolles Schicksal.
Die in Pillau kein rettendes Schiff über die Ostsee in den Westen
ergattern konnten, mussten zu Fuß in endlosen Trecks in beißender
Kälte über die Nehrung,
unter ständigem
Fliegerbeschuss mit hohen Verlusten bis Danzig, Gotenhafen
oder Heia, weiterflüchten. Aber auch ein zunächst rettendes Schiff
bot keine Garantie zum Überleben. Es war die Zeit, wo die „Wilhelm
Gustloff mit ca
5000 Menschen an Bord, vornehmlich Frauen und Kinder,
unterging. Im Mai 1945 geriet ich auf der Halbinsel Hela in
russische Gefangenschaft, wo das Leid in anderer Weise durch
Kolbenschläge, Hunger, Kälte, unerträgliche
harte Arbeit und Strafen weiterging."

die
Wilhelm Gustloff
Anmerkung:
Die
Wilhelm
Gustloff legte am 30. Januar 1945 gegen 13 Uhr mit nur
leichtem Geleitschutz und schätzungsweise über 10.000 Menschen an
Bord in Gotenhafen ab. Mit ca.
8800-9300 Toten, hauptsächlich Frauen und Kinder, ist der
Untergang der Wilhelm Gustloff
bis heute die größte Katastrophe der Seefahrtsgeschichte.
Bei diesem Beitrag
wurde in diesem Buch denkbar schlecht recherchiert!
|
|
Oben hörte ich meine Mutter laut
weinen und schreien
von Marianne Jecht, Halle
Quelle: Reuth, Deutsche auf der
Flucht
"Ich, Marianne Jecht, geborene Koß, bin 1938 in Lieb/Kr.
Königsberg geboren. 1944 wurde ich eingeschult. Doch das war nicht
von Dauer. Nach einem halben Jahr musste ich wegen
Kriegseinwirkungen die Schule verlassen. In Königsberg
marschierten die Russen ein.
Es begann für uns die Hölle. Meine Mutter lebte mit mir und meinen
zwei Brüdern, einer elf und einer zehn Jahre alt, in einer
Siedlung in Lieb.
Hier wurden wir von den Russen rausgeschmissen. Wir kamen
in ein großes Lager und waren mit vielen Menschen
auf engstem Raum eingepfercht.
Nach etwa einer Woche konnten wir wieder in unsere Wohnung, doch
es zeigte sich uns ein Bild des Grauens.
Die Wohnung war
vollständig zerwühlt, Fensterscheiben kaputt, die Türen mit Füßen
durchgetreten. Sämtliche Sachen, die wir ja alle zurücklassen
mussten, lagen verstreut auf der Straße... Ich musste
sehen, dass meine Lieblingspuppe vollkommen zerschmettert auf dem
Boden lag. Arme und Beine waren herausgerissen und der Kopf war
eingetreten. Mir hat mein kleines Kinderherz vor Kummer geblutet.
Noch heute steigt in mir Wut auf,
wenn ich an diese Zeit zurückdenke.
Meine Mutter raffte schnell ein paar Sachen für uns Kinder in
einen kleinen Koffer zusammen. Doch als wir gerade den Weg
überqueren wollten, hielt ein Laster kurz an, ein Russe sprang
herunter, trat meine
Mutter in den Unterleib, riss ihr den Koffer aus der Hand und
war verschwunden.
Nun standen wir da mit nichts! Wir liefen und liefen, wussten
jedoch nicht, wohin. Dann endlich kamen wir in eine andere
Siedlung, die fast leer stand. Alle, die nun eine Bleibe suchten,
liefen in die leer stehenden Häuser. Die Häuser hatten ein Unter-
und ein Obergeschoss. Hier ließen uns die Russen auch nicht in
Ruhe. Eines Tages, ich sehe es noch wie heute, kamen zwei große,
kräftige Russen ins Haus.
Sie sahen sich um,
griffen meine Mutter und waren plötzlich verschwunden.
Nach einer ganzen Zeit hörte ich, wie die zwei Russen vom
Obergeschoss lachend herunterkamen. Von oben hörte ich meine
Mutter laut weinen und schreien.
Die zwei hatten sie
brutal vergewaltigt, eine Frau kümmerte sich um meine
Mutter. Ich schlich mich hoch und sah meine Mutter auf einer
nackten Federmatratze liegen, Hose
und Bluse waren zerrissen und sie schrie nur immer: „Nein, die
Russen, die Russen!" Dann wurde sie ohnmächtig.
Hier konnten wir auf keinen Fall bleiben. So ist meine Mutter mit
uns drei Kindern in den Schrebergarten gezogen. Von hier aus war
es nicht weit bis in die Stadt. Mutter war schwach und krank, sie
hatte zu viel miterlebt und ihr Herz wurde immer schwächer. Wir
drei Kinder gingen nun jeden Tag in die Stadt und haben von Tür
zu Tür um ein Stück Brot gebettelt. Mir gaben die Russenfrauen ab
und zu etwas zu essen, doch meine Brüder hatten es schwer. Sie
mochten nur kleine Kinder und mein
älterer Bruder wurde oft die Treppe
heruntergeschubst und getreten, dazu kam immer das
hässliche Gerede:
„Wenn du Hunger hast, geh zu Hitler!" Es war grausam. Da
Hunger sehr weh tut, haben wir in den Höfen auf den Müllbergen
nach etwas Essbarem gesucht. Ab und zu fanden wir mal eine
Kartoffel, ein paar Nudeln oder einen verfaulten Apfel. Doch die
Russenfrauen wurden beauftragt, jedes bettelnde Kind zu melden.
Nun ging es uns noch schlechter. Wir bekamen von niemandem mehr
etwas zu essen. Da fand mein Bruder eines Tages auf einem Abfall
verschimmeltes Brot. Er dachte, ehe wir alle verhungern, essen wir
etwas davon. Mein großer Bruder und ich haben noch etwas braunes
Brot herausgefunden, jedoch mein kleiner Bruder war so
ausgehungert, dass er das grasgrüne Brot aß.
Noch am selben Tage starb er
schrecklich an den Folgen der Vergiftung. Wir waren alle
sehr traurig und beschlossen, unseren kleinen Sonnenschein, der
ca. zehn Jahre alt war, nicht für ein Massengrab freizugeben. So
haben meine Mutter und mein großer Bruder ihn heimlich nachts im
Garten begraben.
Das alles machte meine Mutter noch kränker und schwächer. Wir
hatten schon seit Tagen nichts Richtiges mehr gegessen, mal ein
paar Kartoffelschalen, mal eine Wassersuppe. Da kam ein Russe zu
uns in den Garten, der hatte Konservenbüchsen dabei.
Er sagte: „Frau, du
kriegen zu essen für deine Kinder, ich kriege das." Er zeigte
dabei auf den Ehering meiner Mutter. Doch sie wehrte sich
mit allen Mitteln dagegen; es war doch das Einzige, was sie an
meinen Vater erinnerte. Sie überlegte sehr lange, doch als sie uns
beide ansah, war der Hunger stärker, und sie willigte ein. Der
Russe bekam den Ring und verschwand. Wir hatten großen Hunger und
öffneten sofort die Büchsen, doch was wir sahen, waren Lumpen und
Erde. Da haben wir alle geweint,
einmal vor Hunger und einmal vor Wut.
Mein Bruder und ich gingen wieder betteln, egal, auch wenn wir von
den Russen Prügel bezogen. Auch Mutter wurde des Öfteren
geschlagen und bedroht, den Schrebergarten zu verlassen. Mutter
hielt die Qual nicht mehr aus und schickte mich zur
Gemeindeschwester. Diese kam gleich mit mir mit. Wir packten
meine schwer kranke Mutter in einen kleinen Handwagen. Wir legten
ihr ein Federbett bei, das die Schmerzen lindern sollte. Sie hatte
zu ihrem kranken Herzen noch Wasser in Armen und Beinen bekommen.
Wir brachten sie nach Königsberg ins Elisabeth-Krankenhaus. Da ich
erst 6 Jahre alt war, bat Mutter, mich mit aufzunehmen, was aber
sofort abgelehnt wurde. Heute weiß ich, warum. Meine Mutter soll
dann nicht mehr lange gelebt haben. Nun stand ich allein auf der
Straße in einer großen, zerbombten Stadt. Ich wusste nicht, was
aus mir werden sollte, wo ich hinlaufen sollte. Ich bin dann
einfach den Weg zurückgelaufen und wollte wieder zu unserem
Schrebergarten. Da treffe ich zufällig meinen Bruder. Er stand
freudestrahlend vor mir und sagte, hier habe ich einen Sack
Kartoffeln, da wird sich die Mutter freuen.
Doch seine Freude hielt nicht lange an, als ich ihm erzählte, dass
Mutter im Krankenhaus ist. Nun hatten wir Kartoffeln, aber keine
Unterkunft. Zum Schrebergarten durften wir nicht zurück. Mein
Bruder hatte zwei Jungen kennengelernt, bei denen wir vorläufig
bleiben durften. So war es wortwörtlich, denn als die Kartoffeln
aufgegessen waren, warfen sie uns raus. Nun wussten wir wieder
nicht, wohin. Tagsüber sind wir herumgelaufen, um etwas zu essen
zu besorgen, und wenn es vom Abfallhaufen war. Wenn der Abend kam,
haben wir uns heimlich in Bodenkammern oder auf offenen Böden
versteckt. Doch das bekamen die Russen bald mit, des Öfteren haben
sie die Dachböden nach Kindern abgesucht.
Ich habe Todesängste ausgestanden,
die hätten uns doch glatt umgebracht. Dann kam eine Zeit,
wo mein Bruder mich immer öfter allein ließ. In Königsberg gab es
nichts mehr zu essen, jeder, der uns etwas gab, machte sich
strafbar. So tat mein Bruder, wie viele andere Jungen auch,
auffahrende Züge klettern und bis ins nächste Dorf mitfahren. Ich
war zu dieser Zeit viel allein, hatte nichts zu essen, war nur
müde. Mein Bruder brachte hin und wieder etwas zu essen, doch
meist schaffte er es nicht bis zu mir, weil er selber großen
Hunger hatte. Ich wurde immer schwächer, es gab keine Toiletten
oder dergleichen.
Die Russen sind
einmal sogar mit der Axt hinter mir hergerannt, als sie mich im
Keller erwischten. Da ich in letzter Zeit viel allein war,
kam es, dass ich einmachte, weil ich mich nirgends mehr
hintraute. So lag ich nun Tage oder Wochen, ich weiß es nicht
mehr, in meinem eigenen Dreck. Ich war so verdreckt, dass ich
Krätze bekam. Dazu Kleider- und Kopfläuse. Es war kalter "Winter
geworden und eines Tages stand mein Bruder vor mir. Ich war so
geschwächt, dass ich ihn kaum erkannte. Er bat mich, aufzustehen
und mitzukommen. Doch mir war alles egal. Ich wollte, wie ein
Kegel zusammengerollt, auf dem Boden liegen bleiben und schlafen.
Doch mein Bruder ließ nicht locker. Da es sehr kalt war, hatte
mein Bruder um mich große Angst, ich könne erfrieren. Nach langem
Betteln bin ich dann aufgestanden mit letzter Kraft. Mein Bruder
stützte mich, sonst wäre ich zusammengebrochen. Meine Kleidung
bestand zu dieser Stunde aus einem Schuh und einem Pantoffel sowie
einem Kartoffelsack und einer vollgeschissenen Hose. So sind wir
dann zur russischen Kommandantur gegangen. Die konnten nicht
glauben, dass wir so lange ohne Behausung und Essen durchgehalten
haben.
Noch am selben Tag kamen wir beide in ein Auffanglager.
Die Haare wurden uns geschoren, die Kleidung verbrannt und dann
ging es ab in die Wanne. War das herrlich, endlich mal wieder mit
Wasser in Berührung zu kommen. Mein Bruder kam in ein anderes
Zimmer als ich, da er älter und nicht so unterernährt war wie ich.
Ich lag im Nebenraum. Ich weiß noch wie heute, dass wir nicht mehr
als einen Löffel Bratkartoffeln bekamen. Die gab ich meinem
Bruder, er sollte leben, mir war alles egal.
Wir waren hier nur kurze Zeit zusammen. Dann hieß es, morgen geht
ein Transport los. Ich war leider nicht transportfähig, vollkommen
unterernährt und schwach. Niemand wusste, wohin der Transport
ging. Nun war ich ganz allein. Ich wollte für immer schlafen. Ich
wurde noch am selben Tag in ein Krankenhaus eingeliefert. So
verlor ich meinen Bruder aus den Augen. Die Kinderstation war
überbelegt, so kam ich auf die Frauenstation. Vielleicht sollte es
so sein. Ich fühlte mich zwischen den vielen Frauen, neun
Personen, sehr wohl; jede wollte mich etwas verwöhnen, denn man
wusste, dass ich ein Waisenkind bin. Da mein Magen keine Nahrung
annahm, wurde mir mehrfach der Magen ausgepumpt. Das war eine
Qual, denn ich musste einen Schlauch schlucken. Da ich wieder ganz
von vorn mit dem Essen anfangen musste, bekam ich ein
Dreivierteljahr lang nur Schleimsuppen und ständig Spritzen. Mein
Po sah aus wie ein Sieb. Ich habe ständig durch die Unterernährung
gefroren und lag zusammengerollt im Bett. Dadurch haben sich die
Sehnen in den Kniekehlen verkürzt. Als ich eines Tages aufstehen
und ein Stück gehen sollte, musste ich mit Schrecken feststellen,
dass das nicht mehr ging.
Meine Beine waren krumm,
ich konnte nicht
mehr laufen. Der Gedanke, du wirst nie mehr richtig gehen
können, machte mich schon als Kind fertig.
Jetzt begannen für mich Höllenqualen.
Jeden Tag setzte
sich die Ärztin auf meine Beine und versuchte, sie durchzudrücken.
Es war grausam. Das kann man
mit Worten nicht beschreiben.
Da beschlossen die Ärzte, meine Beine zu schienen. Da ich die
Schmerzen kaum noch ertragen konnte und bei Nacht keine Ruhe
fand, habe ich die Schienen abgewickelt. Das war der Ärztin zu
viel. Ich kam sofort in ein Einzelzimmer und erhielt noch
schwerere Schienen an die Beine gebunden. Diese konnte ich nicht
mehr abwickeln. So viel geweint und geschrien wie in dieser Nacht
hatte ich lange nicht. Heute noch habe ich eine große Narbe am
Oberbein von diesen Eisenschienen. Nun sah es die Ärztin selber
ein, dass das zu nichts führen wird. Am nächsten Tag bekam ich
eine Narkose und als ich erwachte, merkte ich, dass die Beine
wieder gerade waren. Doch nun musste ich das Laufen neu lernen,
von einem Möbelstück zum anderen. Da ich ja nur Schleimsuppe
bekam, war ich noch sehr schwach auf den Beinen, auch mein Herz
war schwach, sodass ich mit sechs Jahren wie ein alter Mensch nach
Luft ringen musste.
Eines Tages hieß es, das Krankenhaus wird geräumt. Da ich noch
klein und unselbstständig war, mussten die kranken Frauen sich
verpflichten, ein Kind zu betreuen. Dann ging es los. Wir sind
wochenlang mit dem Zug gefahren, immer wieder mussten wir raus,
auch bei Nacht, und wir wurden gezählt. Keiner wusste, wohin der
Zug geht, irgendwann wurde ausgestiegen und ich bekam mit,
dass wir uns in Berlin befanden.
Alle Mitreisenden wurden aufgeteilt. Ich kam bei Nacht und Nebel
nach Königsmark. Das liegt im Kreis Osterburg. Hier kam ich in ein
Kinderheim, wo ich fünf Jahre lebte. In dieser langen Zeit erfuhr
ich nichts von meinem Bruder, wusste nicht, ob meine Mutter noch
lebte, ob ich überhaupt noch einen Vater habe. Als mein Vater dann
aus der Gefangenschaft kam, suchte er durch das DRK seine
Angehörigen. Leider fand er nur meinen großen Bruder. Er war
damals von Königsberg mit dem Transport auf die Insel Rügen
gekommen. Da ich noch nicht gesund war, viele Krankheiten bekam,
z. B. doppelseitige Mittelohrentzündung, und
Entwicklungsstörungen hatte, konnte ich erst mit zehn Jahren
wieder eine Schule besuchen und musste noch einmal ganz von vorn
beginnen. Eines Tages kam eine Suchkarte vom DRK.
Die Heimleiterin fragte mich, ob ich mich an meinen Bruder
erinnern könnte. Na klar konnte ich das, denn schließlich verdanke
ich ihm mein Leben. Durch ihn habe ich erst vom Tod meiner Mutter
erfahren, welche an einem Herzleiden gestorben ist. Dies war meine
Geschichte.
|
|
Im Oktober 1948 wurden wir aus dem
Kreis Elchniederung ausgewiesen
von Inge Kluge, Chemnitz
Quelle: Reuth, Deutsche auf der
Flucht
" Flucht und Vertreibung aus Klein Marienwalde habe ich, damals
acht bis neun Jahre alt, mit Mutter und Geschwistern in ganz
schrecklicher Erinnerung. Dokumente und Fotos haben wir keine, wir
haben alles verloren. Als die Front sich den Flüchtlingstrecks
1945 näherte, mussten alle Flüchtlinge die Straße räumen für die
russischen Panzer.
Die Plünderungen begannen sofort, zuerst nach Uhren und Schmuck.
Es kam noch schlimmer, es gab für
die Frauen und Mädchen keine ruhige Nacht mehr. Wir mussten
für die Nacht auf den nächstgelegenen Bauernhof, dort holten sich
die Russen alle Frauen.
Sie standen in
Schlange, um die Frauen zu missbrauchen.
Es war ein fürchterliches Weinen
und Schreien.
Fortan mussten alle Flüchtlinge umkehren, zurück nach Ostpreußen.
Seitdem waren wir der Willkür der
Russen ausgeliefert. Wir konnten uns seitdem nur im
Dunkeln einen Schlafplatz für die Nacht suchen, um nicht belästigt
zu werden. Das war eine Scheune, ein verlassenes Haus.
Sobald die Russen uns
bemerkten, waren sie da und griffen sich die Frauen. Es war
ein Leben in Angst und Schrecken.
Hinzu kam noch,
dass die Polen uns die letzte Habe
abnahmen. Sie nahmen sich die Flüchtlingswagen und fuhren
davon, mit allem, was wir mit auf die Flucht genommen hatten. Wir
behielten nichts mehr. Wir mussten zurück nach Ostpreußen, aber zu
Fuß. Wir lebten in ständiger Angst und Furcht vor den Russen,
hinzu kam die große Not.
Die Deutschen
mussten für die Russen auf den Feldern arbeiten, ohne Lohn, ohne
Verpflegung. Das war Sklaverei. Unsere Mutter starb 1947.
Viele Flüchtlinge haben das Elend nicht überlebt. Wir waren
Kriegsvollwaisen geworden, drei Geschwister, Irene 1934, Inge
1936, Gislinde 1940. Erst im Oktober
1948 veranlassten die Russen die Ausweisung aller Deutschen aus
dem Kreis Elchniederung/Ostpreußen. Die Heimatvertriebenen
haben in besonderer Weise für den fürchterlichen Krieg büßen
müssen.
|
|
|