Ebstein, Katja
* 9.03.1945, Königshütte
Geborene Karin Witkiewicz (* Girlachsdorf)
†
Aktuelles (60): http://www.freiepresse.de/TEXTE/NACHRICHTEN/KULTUR/TEXTE/188925.html
Katja Ebsteins Mutter mußte 1945 hochschwanger, vor der vorrückenden Roten Armee aus Königshütte in Oberschlesien fliehen. Während der Flucht wurde Katja Ebstein in einem kleinen Dorf
(Girlachsdorf) bei Breslau geboren.

"Erst bin ich Mensch, dann erst Künstlerin"
wuchs in Berlin auf. Nach dem Abitur studierte sie zunächst Archäologie
und Romanistik. Ihren ersten großen Erfolg als Sängerin hatte Katja Ebstein 1970 beim Grand
Prix Eurovision in Amsterdam, wo sie mit dem Titel "Wunder gibt es
immer wieder" den dritten Platz erreichte. Ein Jahr später konnte
sie diesen Erfolg wiederholen. Das Repertoire der Sängerin umfasst
Lieder mit literarisch- kabarettisten Texten, Musicals, Gospels, Chansons
und politische Lieder. 1974 veröffentlichte sie ein Album mit Liedern
von Heinrich Heine. Seit 1980 ist sie auch als Schauspielerin tätig, u.
a. als Künstlerin Rosa Fröhlich in Heinrich Manns "Professor
Unrat", aber auch die Buhlschaft im "Jedermann" und die
Jenny in der "Dreigroschenoper".
Was Katja Ebstein über Heine,
Schlesien und Isis denkt/Im "unterhaus"
Vom 29.05.2003
In Schlesien wurde sie 1945 als Katja Witkiewicz geboren, kam über
den Umweg Thüringen als knapp Einjährige nach Berlin und machte als
Katja Ebstein eine nicht gerade typisch deutsche Karriere. "Wunder
gibt es immer wieder" hieß dementsprechend einer ihrer Hits. Heute
ist sie als Heinrich Heine-Botschafterin unterwegs. "Schlage die
Trommel und fürchte dicht nicht" hat sie ihr Programm überschrieben,
mit dem sie vom 29. bis 31. Mai im "unterhaus" zu erleben ist.
Von unserem Redaktionsmitglied
Bernd Funke
FRAGE: Sie haben 1975 Ihr erstes Heine-Album veröffentlicht - sind Sie
wieder oder noch mit Heine unterwegs?
EBSTEIN: Immer noch. Heine ist mein Lieblingsdichter, ich habe meine
Abi-Arbeit über ihn geschrieben. Seine Texte sind einfach
"zeitgeistfrei", denn er beleuchtet uns ständig beschäftigende
Probleme. Allerdings gibt es einen Unterschied zu 1975: Damals waren es
nur Lieder, heute sind viele Texte im Programm, die meine subjektive
Haltung zu Heine ausdrücken.
AZ-Interview FRAGE: Sie wurden in Girlachsdorf bei Breslau geboren. Fühlen
sie sich als Schlesierin?
EBSTEIN: Schlesien? Kenne ich nicht. Ich war nie da und bin ja auch
schon als Kleinkind von dort weg gekommen. Nein, ich kenne nichts von
meinen Ursprüngen. Ich bin in und von Berlin geprägt.
FRAGE: Aber was fällt ihnen spontan ein, wenn Sie "Mainz" hören?
EBSTEIN: Ganz spontan? Karneval.
FRAGE: Das ist alles?
EBSTEIN: Nein, bestimmt nicht. Also Mainz ist eine schöne kleine
Stadt, in der ich bestimmt schon 15 Mal war.
FRAGE: Und was verbindet Sie mit dem "unterhaus"?
EBSTEIN: Eigentlich meine ganze Berliner Cliqueƒ
FRAGE: ƒzu der ja in den 60er Jahren Leute wie Hannes Wader, Ulrich
Roski oder Reinhard Mey gehörten. Nicht gerade ein unpolitisches Umfeld.
EBSTEIN: Nein, ich war schon in der Zeit politisch unterwegs, habe mich
in Wahlkämpfen engagiert. Erst bin ich Mensch, dann erst Künstlerin.
FRAGE: Ihre Popularität hat Ihrer politischen Stimme aber auch mehr
Gehör verschafftƒ
EBSTEIN: Ja, natürlich. Und deshalb bin ich dankbar für meine zwar
wenigen, aber sehr erfolgreichen Hits, für den Erfolg, in einem Beruf,
den ich nicht angestrebt habe. Und Lieder wie "Wunder" oder
"Theater" haben ja bis heute nichts verloren. Ich habe das Glück,
in sechs Sprachen unterwegs sein zu können. Das hat mir an vielen Bühnen
in aller Welt das Gefühl gegeben, "daheim" zu sein.
FRAGE: Die Katja Ebstein von 2003 besetzt aber doch eine ganz andere künstlerische
Palette.
EBSTEIN: Klar, aber das hat etwas mit meiner Einstellung zu tun, dass
ich niemals etwas ausschließlich machen möchte. Ich rezitiere Heine und
spiele mit großem Vergnügen Theater, mache Musical und Kleinkunstƒ
FRAGE: ƒund waren im Frühjahr mit einer sehr ungewöhnlichen Tournee
unterwegs.
EBSTEIN: Ja ich habe sieben Konzerte mit Band-Begleitung gegeben. Mit
einem Programm zwischen Musical und Gospel. Und ich habe meine alten Hits
als Medley gesungen. Das war eine wunderschöne Wiederbegegnung. Auch bei
einer solchen Art von Entertainment bin ich ganz nah an mir.
FRAGE: Gibt es einen Themenbereich, den Sie besonders gerne abdecken würden?
EBSTEIN: Ja, gute Frauentexte. Etwas nicht Verbrauchtes, immer wieder
Aktuelles.
FRAGE: Ein Blick in ihre Biografie zeigt, dass Sie ein besonderes
Faible für Archäologie haben. Woran liegt das?
EBSTEIN: Archäologie ist Spurensuche, und Spurensuche ist eine Devise
von mir.
FRAGE: Mitten in Mainz liegt ein der Göttin Isis geweihter Tempel.
Werden Sie ihn besuchen?
EBSTEIN: Eine ägyptische Religion? Das haben dann ja wohl die Römer
mitgebracht. Ja, wenn ich es irgend wie mit den Auftritten im
"unterhaus" vereinbaren kann, werde ich mir die Ausgrabung
ansehen.
FRAGE: Stichwort "Handkäs' mit Musik" - an welche Art von
Musik denken Sie da?
EBSTEIN: Nun, das könnte irische sein. Oder bayerische. Die haben ja
beide Käseƒ
"Schlage die Trommel und fürchte dich nicht!" - Ein
Heinrich-Heine-Abend. "unterhaus", Münsterstraße 7. 29. bis
31. Mai jeweils 20 Uhr. Karten: 16 Euro
Schlager-
und Chansonsängerin mit Berliner Schnauze.
Sie
ist - in ihrer langen Schlager- und Chansonkarriere - die Frau mit den
langen rotblonden Haaren geblieben. Ansonsten hat sich für Katja Ebstein im Laufe der Zeit
sehr viel verändert: Am Anfang ihres Erfolgs standen Schlager wie
"Wunder gibt es immer wieder". Weiter ging´s mit Chansons und
Musicals. Heute spielt Katja Ebstein
außerdem erfolgreich Theater, z.B. Heinrich Heine auch auf kleinen Bühnen.
Katja Ebstein, wie sind Sie zur Bühne
gekommen?
Also eigentlich wäre es mir nie eingefallen, freiwillig auf eine Bühne
zu gehen. Als Kind Theater zu spielen, das war Spaß und eine Möglichkeit
Extravertiertheit auszuleben, aber ich hätte nie gedacht, dass es ein
Beruf wird. Aber irgendwann habe ich einen Producer kennen gelernt, der
wusste, dass ich Jazz mache, Protestsongs singe, und der meinte wir
sollten mal ein Probeband aufnehmen. Und das war genau in der Zeit, in
der ich noch nicht richtig wusste, wie ich an einen Job im Bereich der
bildenden Kunst komme, der kein Hungerberuf ist.
Sie haben ein großes Interesse an Menschen. Was sehen Sie denn da, wenn
Sie sich die Menschen so angucken?
Ich sehe alles, was die Welt reflektiert. Ich sehe alles, was ich an mir
erlebe auch an anderen, in den vielen verschiedenen Facetten ihrer Möglichkeiten.
Und ich sehe, dass wir alle eine ganz lange Linie von Möglichkeiten
haben, wie ein Durchmesser durch den Erdball, vom Minuspol bis zum
Pluspol.
Was sind Ihre eigenen Stärken?
Ich habe eine unheimliche Treue zum Menschen an sich. Ich kann mich
selbst auf die Schippe nehmen, so wichtig bin ich nicht. Ich habe auch
keine vordergründige Angst, was andere als Risiko bezeichnen, ist für
mich noch lange keines.
"Wunder gibt es immer wieder", so hieß einer ihrer
erfolgreichen Schlager. Standen Sie denn dahinter?
Ja natürlich. Ich fand die Nummer gut, es war so eine Art Tröster
Nummer, in der auch ein bisschen meine Mission mit vorkam. Und Wunder
gibt es ja auch immer wieder, auch wenn das der Mensch nicht begreift.
Wenn man Wandlungen nimmt, dann habe sicher auch ich ein Wunder erlebt.
Wunder sind ja auch nicht nur plötzliche Heilungen oder so, es können
ja auch seelische Heilungen stattfinden, die auch auf einmal gelingen.
Es gibt sie aber wirklich häufig, diese märchenhafte Wunderlichkeit,
man muss sie nur begreifen.
Da sind wir schon sehr nahe am Thema Religion. Wie ist Ihre Einstellung
dazu?
Das war schon immer ein großes Thema für mich. Ich bin evangelisch.
Und als Kind habe ich eine Vikarin erlebt, die hat die wunderbaren
Geschichten in der Bibel erzählt wie der beste Märchenerzähler. Und
das war ein guter Einstieg. In der Konfirmandenzeit fing man natürlich
an, stark zu hinterfragen. Aber ich habe ein breites Spektrum an
irrationalem Hirn und für mich sind die Zwischenräume zwischen allem
Begreifbaren wohl gefüllt.
Das heißt Sie können mit dem Irrationalen leben?
Ja, und deswegen konnte ich diese Dinge auch leicht begreifen. Auch später
bei der Diskussion über den Marxismus habe ich immer gesagt, dass
Christus der Einzige ist, der das leben kann. Ich halte übrigens viel
davon, dass man alle Wege zu der einen großen Wahrheit zulässt. Was
mich aber am Christentum festhält - und da kann ich auch nirgendwo
anders hin - ist das: "Liebe deinen Feind". Das habe ich in
keiner anderen Religion gefunden. Deinen Feind zu lieben, das ist das höchste
Ziel, das ich mir setzen kann, und auf diesem Weg möchte ich gern sein
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